6 Fragen über die Mentawai auf Siberut
Ein Volk, das sich dem Wald verschrieben hat
Sie sprechen mit dem Dschungel Indonesiens, hören, was er zu sagen hat und beugen sich seinen Gesetzen. Die Mentawai gehören zu den ältesten noch lebenden Stammesgesellschaften Südostasiens. Was sie über die Natur und das Leben mit ihr wissen, sichert ihnen seit rund 2000 Jahren das Überleben.
Rund 70.000 Stammeszugehörige soll es heute noch geben, doch nur wenige Tausend haben die traditionellen Strukturen ihrer Vorfahren in das Heute übernommen. Für sie ist der Mensch kein Herrscher über die Natur, sondern Teil eines empfindlichen Gleichgewichts. Dieses Prinzip durchdringt alles: das Jagen mit Pfeil und Bogen, das Kochen von Sago und Waldfrüchten, das Errichten der traditionellen Uma-Holzhäuser und das Weitergeben von Wissen. Alles geschieht in dem Bewusstsein, dass jede Handlung Einfluss auf das Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Umwelt hat.
Wo leben die Mentawai?
Auf Siberut, der größten Insel der Mentawai-Inseln westlich von Sumatra, leben die Mentawai inmitten des unberührten Regenwaldes. Die Insel ist Teil des UNESCO-Biosphärenreservats und gilt als eines der letzten Refugien für indigene Lebensformen in Indonesien. Neben Siberut gehören zu den Mentawai-Hauptinseln:
- Sipora
- North Pagai (Pagai Utara)
- South Pagai (Pagai Selatan)
Wie leben die Mentawai?
Jeder Baum, jede Pflanze, jedes Tier besitzt eine Seele (simagre), mit der der Mensch in Beziehung tritt. Dieses Weltbild bestimmt den Alltag der Mentawai bis ins kleinste Detail. Nahrung wird nicht einfach genommen, sondern mit Dankbarkeit empfangen. Werkzeuge, Kleidung und Medizin entstehen aus natürlichen Materialien wie Bambus, Rinde, Palmfasern, Harzen und Blättern.
Ein Jäger bewegt sich lautlos durch das Dickicht, weil er gelernt hat, wie sich Tiere verhalten. Ein Sikerei – der spirituelle Heiler – kennt den Klang jeder Vogelstimme und spürt, wenn die Balance zwischen Mensch und Natur gestört ist. Krankheiten zum Beispiel werden nicht nur körperlich, sondern auch als Störung im Verhältnis zur Umwelt verstanden. Auch Kinder wachsen von klein auf mit dieser Verbindung auf. Noch bevor sie lesen oder schreiben lernen, kennen sie die besten Plätze zum Fischen, wissen, wo das Wasser am saubersten ist oder welche Wurzel bei Fieber hilft. Bildung geschieht hier durch Beobachtung und Erfahrung.
Wie sieht ein Alltag bei den Mentawai aus?
Das Leben spielt sich in und um die Uma, das traditionelle Langhaus, ab. Mehrere Familien leben dort gemeinsam. Der Tag beginnt früh, mit Jagen, Fischen oder dem Sammeln von Sago. Gekocht wird am offenen Feuer, gegessen wird gemeinsam. Auf die Uhr schaut hier niemand. Alles geschieht mit einem ganz genauen Gefühl für die Zeit.
Was bedeuten Tattoos für die Mentawai?
„Wenn ein Mensch stirbt und nicht tätowiert ist, findet er den Weg zu den Ahnen nicht“, heißt es bei den Mentawai. Tätowierungen – in ihrer Sprache „titi“ genannt – sind Geschichte und Identität zugleich. Jede Linie, jedes Motiv ist ein Ausdruck der Beziehung zur Natur. Die Kunst des Tätowierens zählt zu den ältesten der Welt und wird von Generation zu Generation weitergegeben.
Was hat es mit dem Kopfschmuck auf sich?
Festlicher Kopfschmuck wie der Ogok Manai wird bei Frauen zu Hochzeiten oder besonderen Festen getragen. Gefertigt ist er aus Blättern, Blüten und anderen Naturmaterialien. Männer, besonders die Sikerei (spirituelle Heiler), tragen kunstvolle Stirnbänder aus Rattan und Perlen. Diese kennzeichnen ihre Verbindung zur geistigen Welt. Der Sikerei ist Vermittler zwischen Diesseits und Jenseits.
Welche Sprache sprechen die Mentawai?
Sie sprechen den Mentawai-Dialekt, eine austronesische Sprache, die sich in den abgelegenen Regenwaldregionen eigenständig erhalten hat. Die Sprache ist reich an Begriffen für Pflanzen, Tiere, spirituelle Zustände. Doch sie ist bedroht. Mit der Verdrängung durch Bahasa Indonesia (die offizielle Landessprache Indonesiens) und den Rückzug aus traditionellen Lebensweisen droht auch der Verlust dieses sprachlichen Schatzes.
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