Auch der Frühling mit der prächtigen Rhododendronblüte bietet sich für Trekkingtouren und Expeditionen in Nepal an.
In der gewaltigen Natur fühlt sich der Mensch einigermaßen klein!
Bergsteiger über dem Nebelmeer.
Am Fixseil über den Steilaufschwung unter dem Gipfel

Reisebericht

Nepal – Ein „kleiner“ 6000er sollte es werden, ein „Großer“ wurde es

Siegfried Mühlbach, 01.05.2011

Expedition zum Mera Peak (6461 m) im April 2011

Teilnehmer: Carola, Franziska, Joachim, Michael, Wolfgang, Siegfried

Nachdem ich 2001 dem Everest gegenüber stand, sogar noch den Island Peak (6189 m) bezwungen habe und 2007 kurz vor dem Gipfel des Peak Lenin umkehren musste, wollte ich noch einmal einen schönen 6000der im Himalaya begehen. Gleich hier muss ich anführen, dass der Mera Peak kein Selbstläufer ist. Trotz guter, intensiver Vorbereitung mit Höhentrainung und Jogging mussten wir uns den Gipfel hart erkämpfen.

Wir trafen uns im Flughafen Frankfurt/Main und los ging es über Doha/Hauptstadt von Katar nach Kathmandu, der Hauptstadt von der Republik Nepal. Am Freitag, dem 8.April um 16.30 Uhr landeten wir und wurden nach den Einreiseformalitäten herzlichst von dem hiesigen Reiseleiter begrüßt. Die Fahrt durch den Berufsverkehr war abenteuerlich, aber wir sahen keinen Unfall. Das Kathmandu View Hotel, in dem alle Reisegruppen von DIAMIR absteigen, lag malerisch am Hang im Stadtteil Thamel. Vom Hotel waren wir sehr beeindruckt, hatte es doch europäischen Standard. Wolfgang und ich hatten ab diesem Tag immer ein gemeinsames Zimmer oder Zelt. Wir waren von der ersten Minute an ein Team, obwohl wir uns erst am Flughafen kennen gelernt haben. Von unserem Balkon aus sahen wir auf Swayambhunath, den ältesten Stupa von Nepal. Beeindruckend fanden wir die Decke im Frühstücksraum, sie wurde von Klosterschülern im Stil der buddhistischen Klöster bemalt. Dort bekamen wir auch unser Begrüßungsmenü.

Am nächsten Tag fuhren wir um 6.00 Uhr zum Flughafen und nach einer halben Stunde Flug mit einer Fokker von Nepal-Airlines waren wir schon am Ausgangspunkt unserer Tour in Phaplu. Da gerade Markttag war, sammelten wir unsere ersten Eindrücke vom Leben in der Gebirgsregion. Was man vergessen hatte, konnte man hier noch kaufen. So nahmen wir eine buddhistische Gebetsfahne mit. Nach dem Mittagessen kam ein Bus mit unserer Ausrüstung (den Zelten u.s.w.) und den Trägern. Nach der ersten Nacht in den Zelten begann unsere Tour. Jeden Tag gingen wir 6 bis 8 Stunden manchmal auch 9 durch üppige Rhododendronwälder. An der Strecke waren zwei Klöster, die wir beide besichtigten. Dazu an späterer Stelle.

Die erste große Herausforderung war am 5. Trekkingtag, als wir einen 4400 Meter hohen Pass überqueren mussten. Wir querten von der Westseite in die Nordseite und versanken teilweise bis zu den Knien im Schnee. Auch wollte der Weg an diesem Tag kein Ende nehmen. Um so glücklicher waren wir, als wir am späten Nachmittag die Lodge in Chhatarwa erreichten. Am gemütlichen Ofen waren die Strapazen schnell vergessen, waren es doch an diesem Tag 11 Stunden Gehzeit. Am nächsten Tag ging es noch einmal über einen kleinen Pass und dann bergab bis auf eine Höhe von 3550 m nach Kothe. Wir sahen von dort aus das erste Mal unser Ziel – den Mera Peak. Sehr beeindruckend war das Tal des Hinku-Flusses, welches 1998 durch den Bruch einer natürlichen Staumauer gezeichnet war. So kämpften wir uns immer höher und näherten uns dem Gipfel. Da wir drei Mal von der erreichten Höhe wieder abstiegen, waren wir bestens akklimatisiert. Nachmittags fing es meist an zu gewittern, aber da lagen wir schon in den Schlafsäcken oder saßen am Ofen in der Lodge.

Am nächsten Tag führte uns der Weg am zweiten Kloster vorbei. Es war an einen Felsüberhang gebaut (wie an eine Boofe in der Sächsischen Schweiz). Auf meine Anregung hin ließ unser Guide die mitgebrachte Gebetsfahne vom Lama segnen. Dies hatte ich in den Vorträgen über die großen 8000er Expeditionen so in Erinnerung. Von der Zeremonie waren wir sehr beeindruckt, es hatte Ähnlichkeit mit einem Gottesdienst in unseren Regionen. Für uns war es ein gutes Omen.

Am Tagesziel Tangnag (4200 m) legten wir einen Ruhetag ein. Wir gingen nur bis zu dem besagten See, der auf ein Drittel geschwunden war. Über dem See bäumte sich eine riesige Felswand auf. Dort genossen wir die Ruhe und Wolfgang erzählte mir viel aus seinem abenteuerlichem Leben. In der Hoffnung, dass wir alle den Gipfel erreichen, bauten wir einen Mani-Turm aus sechs Steinen, sozusagen für jeden Teilnehmer einen Stein.

Bis zum Gipfel waren es noch drei Etappen. Wir waren jetzt auf einer Höhe von 4200 m. Dann ging es auf 4900 m, von dort auf 5400 m und am gleichen Tag wieder zurück auf 4900 m. Das gehörte wiederum zur Akklimatisation. Am 14. Trekkingtag sind wir zum Mera Peak-Hochlager aufgebrochen, wobei wir fast die gesamte Strecke Steigeisen trugen. Hier sahen wir auch viele Gletscherspalten. Der in der Vorwoche frisch gefallene Schnee war jedoch gut festgetreten, so dass wir nicht am Seil gehen mussten. Als wir im Lager ankamen, waren die Zelte schon aufgebaut. Es gab zeitiges Abendessen unter einem Überhang und um 18 Uhr lagen wir bereits in den Schlafsäcken. Bei minus 12 Grad Celsius behielten wir das erste Mal die Daunenjacken auch im Schlafsack an. Es war eine unruhige Nacht. Mann döste im Halbschlaf und der Sturm rüttelte arg am Zelt. Ich dachte schon Jamba, unser Guide, wird uns jeden Moment sagen, dass es bei dem Sturm nichts mit dem Gipfelangriff wird. Um 1 Uhr wurden wir mit Tee geweckt. Nun musste alles verpackt werden. Das Schlimmste war es, bei dieser Kälte die Schuhe, Klettergurt und die Steigeisen anzuziehen bzw. anzulegen. Um 2.15 Uhr gingen wir los. Wir hatten uns gerade in das Seil eingebunden, als Michael sagte, dass er nicht weiter gehen kann. Er hatte schon mehrere Tage Magenprobleme und fühlte sich nicht fit. Ein paar Minuten später meldete sich auch Franzi, dass sie so friere und nicht weiter gehen könne. Sie tauschte noch mit ihrem Freund Joachim die Handschuhe, aber es half nichts. Hier muss ich einflechten, dass sie schon am Vorabend Schüttelfrost hatte.

Auch mir wurden die Daumen kalt, so dass ich sie mit zu den anderen Fingern im Fausthandschuh steckte. Nach wenigen Metern wurde uns jedoch wärmer durch die Bewegung. So ging es mehrere Stunden bei 45-60 Grad Steigung gen Gipfel. Obwohl wir unsere Stirnlampen angelegt hatten, hätten wir diese fast nicht benötigt, der Mond strahlte wie ein Lampion. Als es dann endlich dämmerte und die Sonne zum Vorschein kam wurde uns wohler ums Herz. Gegen 9 Uhr, Gründonnerstag, dem 21. April 2011 hatten wir den Gipfel bei azurblauem Himmel erreicht. Aber vor uns ragte da noch eine 15 Meter hohe Eiswand. Jamba meisterte auch diese und wir waren in wenigen Minuten mit Hilfe unserer Steigklemme oben. Die Aussicht war überwältigend. Vor uns der Everest und Lhotse, auf der anderen Seite der Makalu zum greifen nahe. Man konnte kaum glauben, dass diese Berge noch zweitausend Meter höher waren als unserer. Nach dem obligatorischen Gipfelfoto bestand Jamba persönlich darauf, die Gebetsfahne anzubringen. Da wir wussten, dass wir am gleichen Tag noch 1550 Meter absteigen müssen, seilten wir uns schell ab und begannen mit dem Abstieg. So wie fast an allen Tagen zog sich der Himmel zum Mittag hin zu und es kam noch schlimmer. Von der Seite wehte ein böiger Sturm, so dass wir oft stehen blieben und uns mit dem Rücken gegen den Wind stemmten. Wie froh waren wir, als wir wieder am Hochlager ankamen. Unsere Küchenmannschaft erwartete uns bereits mit heißem Tee und Spaghetti. Ich konnte nichts essen und schlief sogar im Sitzen ein. Um 15 Uhr, also nach 13 Stunden Gehzeit lagen wir völlig erschöpft aber glücklich in unseren Zelten im Schlafsack. Ich bedauerte immer noch sehr, dass wir nicht alle auf dem Gipfel standen. Ich hatte es mir so sehr gewünscht. Auf der anderen Seite heißt es, wenn nur einer von einer Expedition den Gipfel erreicht hat, war sie erfolgreich. Und wir waren vier, mit den Guides sechs, so viele, wie ich Steine übereinander gebaut hatte. Von den Engländern, die nach uns aufstiegen, schaffte es nur einer!

Die beiden letzten Trekkingtage waren noch einmal anstrengend. Theoretisch stiegen wir ab, aber der Weg führte immer wieder ein Stück bergauf. Wir mussten noch den Zatrwala-

Pass überqueren und der hatte es in sich. Auf der anderen Seite des Passes ging es nämlich so steil bergab, dass sogar die Träger am Seil liefen. Um 16.30 Uhr erreichten wir überglücklich Lukla und gingen nicht ins Hotel, wo uns eine heiße Dusche erwartete, sondern zum „German Bäcker“ gleich daneben.

Zum Abschluss luden wir unsere Täger und Küchenmannschaft zu einem Abendbuffet ein. Wir tanzten gemeinsam zu Musik aus dem Handy, es war eine sehr fröhliche aber auch emotionale Stimmung. Sollten uns doch die Träger, ohne die wir niemals den Gipfel erreicht hätten, am nächsten Tag verlassen und in ihre Dörfer zurückgehen.

Nach dem Flug von Lukla nach Kathmandu mit einer Dornier 228 waren wir an unserem Ausgangspunkt angelangt. Wir bezogen unsere Zimmer im Kathmandu-View-Hotel und machten nach einer etwas längeren Dusche im Touristenviertel Thamel einen ersten Besuch.

Am nächsten Tag besuchten wir den ältesten Stupa Nepals Swayambhunath und mussten feststellen, dass uns die Stufen dort hinauf Probleme bereiteten. Vielleicht war es auch der Temperaturunterschied, vor zwei Tagen sind wir früh bei 2 Grad Celsius losgegangen und nun zeigte das Thermometer 30 Grad an. Für den nächsten Tag planten wir gemeinsam einen Ausflug nach Boudhanath, aber daraus wurde leider nichts, weil fast alle Hauptstadtbewohner für eine neue Verfassung streikten. Auch diese Erfahrung gehörte zu unserer Reise und so bummelten wir durch Thamel. Die Gaststätten und einige Geschäfte hatten zum Glück geöffnet. Am Abend bekamen wir bei einem feierlichen Menü unsere Gipfelurkunden. Natürlichen tranken wir auch ein Bier bzw. Glas Wein auf unseren Erfolg.

Der Rückflug über Katar war genau so problemlos wie der Hinflug. Von einer Teilnehmerin der Annapurna-Trekkingtour wurde ich gefragt, wie lange wir uns vorher schon kannten, weil wir uns so gut verstehen. Ich antwortete, dass wir uns alle sechs erst bei der Anreise kennen gelernt haben. Wenn das kein Kompliment ist…

Mera Peak von Tuli Kharka