Reisebericht

Nepal • Tibet – Tibet sehen und erspüren

Annette Romaninczyk, 01.07.2011

"Vom Kailash zum Potala“ mit Wolgang Henzler im Juni 2011

Mittlerweile bin ich schon wieder einige Wochen zurück in Deutschland und die Erinnerungen unsere erlebnisreiche Reise hallen immer noch sehr lebendig in mir nach:

Einen Tag früher als ursprünglich geplant, da DIAMR in Sorge um die Ausstellung des chinesischen Visums war, flogen wir voller Spannung in München los. Es sollte meine erste „gebuchte Reise“ werden, das erste mal nach Asien, das erste mal nach Nepal und natürlich das erste Mal nach Tibet. Ein 20-jähriger Traum sollte in Erfüllung gehen: Tibet sehen und erspüren.

In Kathmandu wurden wir von unserem Reiseleiter Wolfgang Henzler mit Blumen in Empfang genommen und er drückte als erstes jedem von uns eine kleine Wasserflasche für die Autofahrt zum Hotel in die Hand. Da ich von dem langen Nachtflug wirklich sehr durstig in KTM ankam, war ich dankbar über diese kleine, aber ausserordentliche Aufmerksamkeit.

An diesem und dem nächsten Tag streiften wir staunend und shoppend durch Kathmandu und die Visa-Formalitäten für China wurden erfolgreich für uns erledigt. (Später beim Trekking durch Nepal erfuhren wir von einer anderen Gruppe, dass sie einfach kein Visum bekommen hatten und keiner wusste so genau warum). Mir gefiel Kathmandu, die Offenheit der Nepali und auch das Chaos. Wunderbar war der Ausflug mit Wolfgang durch das alte historische Zentrum Stadt, der uns viel über das Leben der Einheimischen und die Gepflogenheiten erklärte. Auch ging er mit unglaublicher Selbstverständlichkeit in jeden Hinterhof oder in eine laufende Puja (Gottesdienst oder Andacht) im nächsten Kloster und so lernte ich schnell, dass wir uns in Nepal und später auch in Tibet tatsächlich trauen können ein wenig auf „Tuchfühlung“ mit den Menschen dort zu gehen. So habe ich tatsächlich während der Reise einige unglaublich herzliche und berührende Begegnungen gehabt.

Wir verließen Kathmandu in Richtung indische Grenze und hofften, dass unser Flug in die Berge nach Simikot tatsächlich so fliegen konnte wie geplant. In der Woche vorher schien nicht besonders gutes Flugwetter gewesen zu sein, aber wir hatten (wie später auch noch oft) Glück und wir landeten pünktlich zum Trekkingbeginn in den Bergen. Dort wurde mir erstmal klar, welcher Organisationsaufwand für uns betrieben worden war: Küchencrew, Nepalesische Guides, Mulis und Esel, Mulitreiber… alles nur für uns. Einfach unglaublich und für mich zu Beginn fast beschämend, dass so viele Menschen „für mein Vergnügen“ arbeiten. Die Trekkingetappen in Nepal waren recht gemütlich, wir gewöhnten uns langsam an die zunehmende Höhe, bis wir nach sechs Tagen den Nara La mit 4600 m überschritten und die chinesische Grenze erblickten.

Highlight für mich war in diesen Tagen eindeutig der Besuch im Kloster Yalbang und das Gespräch mit dem dortigen Abt. Insgesamt wurde unser Leben mit dem täglichen Zusammenpacken und Loslaufen schon innerlich langsamer und einfacher. Auch die innere Vorbereitung auf die Umrundung des heiligen Bergs Kailash lief langsam und unmerklich.

Die Überschreitung der Grenze mit den Grenzformalitäten (Wolfgang hatte uns gut geimpft, was wir zu tun und zu lassen hatten) war dann eine beeindruckende Demonstration sowohl von Macht als auch von Paranoia und stand im krassen Gegensatz zu der heiteren Gelassenheit der tibetischen Pilgern während der nächsten Tage am See Manasarowar und dem Kailash.

Auch dort hatten wir wieder unerhörtes Glück: der Kailash präsentierte sich von seiner sonnigen Seite und oft konnte ich den Blick vom Schneejuwel kaum abwenden. Nach einer leicht eingeschneiten Nacht auf 5000m vor dem Pass überschritten wir den höchsten Punkt unserer Reise, den Drölma La, glücklich und gemeinsam (wie hoch wusste übrigens keiner so ganz genau, auch die Karten waren sich überhaupt nicht einig). Nach dem Aufhängen der Gebetsfahnen und dem ein oder anderen sichtbaren oder unsichtbaren Gebet an dieser Stelle machten wir uns auf den langen Abstieg.

Auch die weiteren Tage mit Saga Dawa (auch da herrschte zwischenzeitlich große Verwirrung über die Veranstaltung) und der Fahrt nach Lhasa an einigen beeindruckenden Klöstern vorbei blieb erlebnisreich mit kleinen täglichen Highlights. Dann ereilte uns die Nachricht, dass Tibet für alle ausländischen Touristen geschlossen werden soll und zwar am 24. Juni. Unser Rückflug von Lhasa nach Kathmandu war ein Tag vorher geplant… kann ich hier jetzt immer noch von „Glück“ sprechen? So erlebten wir Lhasa in den Vorbereitungen auf eine chinesische Regierungsfeier in einer spannungsreichen Stimmung mit Militärpräsenz und gleichzeitig ebenso unglaublicher Pilgerdichte. Massen von Tibetern schritten unbeirrt Gebetsmühlen drehend um den Jokhang und den Potala.

War das der 20-jährige Traum, den ich mir vorgestellt hatte? Natürlich nicht – aber das wusste ich vorher schon. Tibet ist ein wunderbares Land, die Kultur ist allerdings zu einem (wohlgemerkt beeindruckenden) Museum geworden. Klöster fühlen sich nicht mehr nach Klöstern an, sondern nach Museen. Was berührend bleibt sind die Menschen, deren tiefe Religiosität, gemischt mit einer hohen Portion Aberglaube, in allen Handlungen sichtbar wird. Ich werde höchstwahrscheinlich nie mehr nach Tibet reisen, blicke aber dankbar auf ein einzigartiges Erlebnis zurück.

Zur Reiseorganisation kann ich nur eines sagen: ich war beeindruckt, wie alles funktioniert hat. Vorher erschien mir die Reise recht teuer, aber im Nachhinein muss ich sagen, dass es unglaublich war, wie viele Menschen, Tiere, Ausrüstung, Jeeps und Flugzeuge für und mit uns in diesen 24 Tagen unterwegs waren. Das war nicht teuer.

Mit Wolfgang zu reisen war für mich eine besondere Ehre. Er war nicht nur erfahren im Umgang mit nepalesischen und tibetischen Führern und Verhältnissen (Höhe, Hygiene Nahrung, u.s.w.), sondern hat uns immer wieder mit kleinen Highlights überrascht. Es war spürbar, dass er einfach auch sehr gerne reist und immer noch neugierig ist sowohl auf neue Erlebnisse – aussen wie innen. Wolfgang, vielen Dank.

Ebenso besonders war unsere nepalesische Crew, die mit uns nach Tibet und um den Kailash ging. Tarkey, Maila, Ngawang und Dawa waren wunderbare, fröhliche, manchmal schelmische und immer hilfreiche Begleiter, die uns das ungewohnte Trekkingleben ausserordentlich angenehm gemacht haben. Euch vier auch vielen Dank.

Annette R.

heiliger Berg Kailash