Reisebericht

Wüstenritt durch ein unbekanntes Land – Teil 3 Karakum-Wüste

Frank Böttcher, 04.06.2018

Montag 21.05.2018 – Wüstenoase und Gastfreundschaft

Wir besuchen am Morgen den Basar in Serdar. Die Leute sind recht neugierig und fragen woher wir sind und was uns nach Turkmenistan verschlagen hat. Wie überall ist auch hier Russisch die Standardsprache. Mittlerweile verstehe ich auch die Antworten der Einheimischen immer besser. Wir kaufen eine Palette Bier für die nächsten fünf Tage in der Wüste.

Dann starten wir nach Norden in die Wüste hinein. Mehrere Stunden geht es immer geradeaus, anfangs noch auf Asphalt, später über Piste. Es ist eine graue flache Staubwüste mit kleinem Gestrüpp. Ab und zu überqueren wir ein paar Sanddünen, wo es dann butterweich hoch und runter geht. Die Fahrzeit versüßen wir uns mit Musik aus unseren Smartphones; zum Glück haben Fahrer, Guide und Gäste einen ähnlichen Musikgeschmack. Als wir ein ausgetrocknetes Flussbett des alten Amudarya erreichen, wird es abwechslungsreicher. Wir besichtigen Ruinen einer jahrtausendealten Töpferstadt, die direkt am tief eingeschnittenen Flussbett gelegen ist. Zur aktiven Zeit der Stadt stand das Wasser noch am oberen Ende des Canyons. Einige Teile stehen wieder unter Wasser, sind aber völlig versalzen und leuchten orange bis grün. Weiter im Norden erreichen wir dann überraschend Seen, die mit grünem Schilf bewachsen sind und auf denen sich Wasservögel tummeln. Kurz darauf kommt sogar ein Wasserfall, wo einheimische Jungs baden, mitten in der Wüste. Wir erfahren, dass alles ein Projekt des Präsidenten ist. Mehrere Kanäle mit Wasser aus dem Amudarya und ein Netz von Stauseen sollen sprichwörtlich Wasser in die Wüste bringen. Seitdem der Aralsee weiter nördlich fast ausgetrocknet ist, ist das Klima in Nordturkmenistan extremer geworden; die Winter sind kälter und die Sommer heißer. Das will man mit den neuen Wasserflächen ausgleichen. Dass man es damit nur noch schlimmer macht, weil der Amurdarya dadurch noch früher in der Wüste versickert, versteht hier niemand. Für uns und auch die Einheimischen ist es aber in der Tat sehr angenehm am Wasser bei rund 40 Grad Lufttemperatur. Sogar Fische werden gezüchtet. Und so gibt es heute Abend frischen Fisch mitten in der Wüste.

Wir übernachten im Wüstendorf Bailischem, wo außer ein paar Kamelen nicht viel los ist. Der Dorflehrer lässt uns in seinem Haus schlafen, welches bei der Hitze etwas bessere Isolierung bietet als eine ebenfalls verfügbare Jurte oder gar das Zelt. Die Frauen und Mädchen wuseln umher, damit alles für uns vorbereitet ist. So wird es eine angenehme Nacht auf schönen turkmenischen Teppichen. Die Familie von rund zehn Leuten schläft derweil in einem Zimmer, damit wir die restlichen Zimmer belegen können. Das entspricht wieder meiner klassischen Reiseerfahrung: je weniger die Menschen haben, desto mehr geben sie!

Dienstag 22.05.2018 – Erdgaskrater

Über super hohe Sanddünen starten wir am Morgen mit den Fahrzeugen. Es ist unglaublich, wie steil die Dünen hoch und wieder runter gehen. Wie auf der Achterbahn geht es lange Zeit auf und ab, Bauchkribbeln inklusive. Nach einigen Kilometern erreichen wir das nächste Dorf. Hier ist gerade Schulpause und die rund 15 Schüler sitzen vor der Schule im Schatten. Wir halten an und sagen Hallo. Zuerst sind Lehrer und Kinder ganz schüchtern. Aber nach den ersten Selfies und spätestens als die jüngste Lehrerin ihr Handy rausholt, ist das Eis gebrochen. Mit dem erlernten Englisch tun sich zwar alle schwer, aber man versteht sich. Mit ganz viel Winken fahren wir weiter. Es geht einige Stunden in flotter Fahrt durch die Wüste, bis wir auf die Nord-Süd-Hauptstraße treffen, die von Ashgabat nach Usbekistan führt. Der glatte Asphalt bleibt uns aber nur kurz erhalten, bevor wir in Richtung der Erdgaskrater abbiegen. Beim ersten Krater werden uns die Dimensionen bewusst, über die wir hier reden. Circa 50 bis 70 Meter im Durchmesser und auch genauso tief ist das künstliche Loch in der Erde. Aber erst der zweite Krater ein paar Kilometer weiter ist richtig beeindruckend, denn hier brennt aus hunderten Spalten das Erdgas ab. Es verursacht eine unglaubliche Hitze und sieht schon sehr nach Hölle aus. Die russischen Geologen, die das Gas in dem nicht nutzbaren Loch kurz abbrennen wollten, ahnten damals 1971 nicht, dass es nach über vierzig Jahren bis heute brennen würde. Die Agentur hat hier ein Camp errichtet, sodass wir in Sichtweite des Kraters übernachten können. Sogar Toiletten und eine einfache Felddusche sind vorhanden, was nach zwei Tagen sehr gut tut. Es ist der erste Ort auf dieser Reise, wo uns andere Touristen begegnen, fünf Stück um genau zu sein. Wir fühlen uns ziemlich eingeengt :-). Im Sonnenuntergang genießen wir ein Abendessen mit Schaschlik vom Grill und unserem mitgebrachten Bier und Wodka. Nach Einbruch der Dunkelheit entfaltet der Krater seine Magie erst richtig. Glutrot leuchtet es aus dem Loch heraus. Aus der Nähe braucht man auch jetzt nachts fast eine Sonnenbrille, so grell lodert das Feuer. Je nachdem wie der Wind weht, schlägt einem furchtbar heiße Luft ins Gesicht. Wir ziehen uns in unsere Zelte zurück und genießen die stille und angenehm kühle Wüstennacht, bevor ich von einer Ziegenherde kurz nach Sonnenaufgang geweckt werde.

Mittwoch 23.05.2018 – Schulbesuch im Wüstendorf

Noch einmal drehe ich am Morgen eine Runde um den unheimlichen Krater, bevor wir unsere Fahrzeuge packen. Ich verspreche dem Koch des Camps (der mich am Vorabend ins Herz geschlossen hatte, nachdem ich als Einziger einen Nachschlagteller mit leckerem Borschtsch geordert hatte), dass ich eines Tages wiederkomme und er mir Turkmenisch beibringt. Wieder rasen die Fahrer stundenlang im Wechsel über Dünen und flache graue Wüstenebenen. Erstaunlicherweise ist Bewuchs in Form von Büschen und Gräsern überall vorhanden. Bei der Trockenheit ist allerdings alles verdorrt. Im Wüstenort Damla machen wir Mittagspause. Der Ort hat einen kleinen Wassertümpel, an dem zwei einsame Bäume stehen. Bei der Runde durch das Dorf werden wir von einer Schar Kinder begleitet. Die Größeren können sich auf Englisch vorstellen und nach unseren Namen fragen. Am Ende besuchen wir mit dem Einverständnis der Lehrerin die Schule. Auf dem Stundenplan schon für die erste Klasse stehen Englisch, Russisch und Turkmenisch. Zum Mittag gibt es Lamm und Kartoffelsuppe. Nach kurzer Pause brettern wir die letzten drei Stunden für heute durch die Wüste, um am Nachmittag in Murcachirla anzukommen, einem weiteren kleinen Wüstendorf. Auch hier soll das Haus einer Familie unser Nachtlager sein. Eine ausgiebige Siesta zieht sich bis zum Abend, wenn es kühler wird und wir bei einer Runde durch das Dorf den Kamelen Gute Nacht sagen.

Donnerstag 24.05.2018 – Zivilisation – Ausgrabungsstätte Gonur Depe

Die Mädels des Hauses ziehen uns radikal gegen 7 Uhr die Schlafmatratzen unter dem Hintern weg. Unsere heutige Strecke ist recht lang, daher starten wir schon 8 Uhr auf die Piste. Wir legen auf Wunsch einige Fotostopps in der Wüste ein und erreichen zum Mittag eine Gasumformstation mit angeschlossenen Wohnbaracken. Dazwischen parken Ladas und ein Moskwitsch. Die Gegend wirkt auf mich wie ein Rückblick in die DDR. Unter dem schattenspendenden Dach der heruntergekommenen Kantine essen wir unser Mittagessen, kaufen im örtlichen Magazin noch Biervorrat und fahren weiter durch die Wüste. Während in den bisherigen Gebieten alles unberührt war, wird hier die Landschaft jetzt von Bewässerungskanälen und von Erdgasleitungen durchzogen. Beides lässt sich gut an den aufgeschütteten Erdhügeln erkennen, die über den Leitungen liegen und sich wie große Maulwurfshügel unstrukturiert durch die Wüste ziehen. Zu unserer Überraschung tauchen plötzlich sogar Felder auf, zuerst mit Weizen, später mit Kartoffeln und dann sogar mit Melonen. Und das alles mitten in der Wüste, denn ein paar Meter weg von den Kanälen ist alles wieder grau und verdorrt. Wir erreichen die Ausgrabungsstätte Gonur Depe gegen 17 Uhr. Nach einer Kaffeepause und dem Zeltaufbau machen wir im Sonnenuntergang einen Rundgang um das Ausgrabungsgebiet. Seit fast 5.000 Jahren leben hier schon die Menschen, damals noch am Fluss, der dann seine Richtung geändert hat. Die ersten Mauern und Gebäude wurden bereits mit glattem Lehmgemisch saniert und sehen aus wie neu. Bald soll die ganze Stadt wieder auferstehen. Im Wärterhaus ist noch das Arbeitszimmer des Hauptarchäologen zu besichtigen, der bis zu seinem Tod 2013 hier gelebt hat. Nach einem lustigen Abendessen gehen wir müde ins Bett. Es wird nochmal eine richtig schöne Zeltnacht unter klarem Sternenhimmel und absoluter Ruhe. Der perfekte Ausklang dieses Wüstenritts!

Höllenpforte Darwaza