Reisebericht
Nordatlantik-Querung: Von Holland bis Spitzbergen
Eine fantastische, sehr abwechslungsreiche führte mich dieses Jahr einmal über den Nordatlantik – vom kleinen, sehr hübschen Städtchen Vlissingen in Holland bis ins Reich der Eisbären, nach Spitzbergen.
Die erste Etappe führte über die Nordsee, die sich wettertechnisch sehr gewogen zeigte, bis nach Aberdeen. Die Ortelius wartete frisch gestrichen und renoviert im Hafen. Aufregung machte sich breit, als die ersten Passagiere an Bord eincheckten und vom Team herzlich begrüßt wurden. Gegen Abend erreichte das Schiff dann die offene See – endlich unterwegs!
Nach einem Seetag erwartete mich Aberdeen. Statt Shopping im Stadtzentrum entschied ich mich für einen Ausflug ins Grüne – bzw. Gelbe. Denn an der Mündung des Flusses Ythen blühte der Ginster, soweit das Auge reichte. Ein Augenschmaus! Hauptattraktion ist hier aber die große Kolonie Kegelrobben und Seehunde, die sich von der Strömung den Fluss hinauftreiben ließen und dabei immer näher ans Ufer herankamen. Wer da wohl wen beobachtet hat? Den Abschluss des Tages bildeten die Bullers of Buchan, eine schroffe Klippenlandschaft, wo alle Vogelfreunde voll auf ihre Kosten kamen: Lummen, Eissturmvögel, Dreizehenmöwen zu Tausenden nisten hier.
Voller Eindrücke erreichte ich am Abend wieder die Ortelius, die Kurs auf die Shetland-Inseln nahm. Fair Isle war für mich auf jeden Fall die große Überraschung dieser Reise, eine wahre Perle im Norden Europas. Die kleine Insel hat nur knapp 70 Einwohner. Fast sieben Stunden standen zur Verfügung, um das Eiland zu erkunden. Aber erst einmal zieht es alle Besucher in die gleiche Richtung – zur Kolonie Papageientaucher. Die putzigen bunten Vögel, die immer ein wenig tollpatschig wirken, sind für viele Passagiere ein Höhepunkt dieser Reise. Ich staune, wie nah die Vögel herankommen – und schieße unzählige Bilder…
Bis in die Schule des Ortes, wo die Bewohner die berühmten Fair-Isle-Stricksachen verkaufen, schaffe ich es schließlich gar nicht mehr. Ich bleibe im Norden der Insel hängen, wo eine große Kolonie Basstölpel ihr Zuhause hat und man über den Klippenrand Robben beobachten kann. Am Abend zurück an Bord sehe ich überall nur vor Glück strahlende – und oft sonnenverbrannte – Gesichter.
Die Ortelius wendet sich wieder Richtung Norden, es stehen zwei Tage auf See bevor. Aber auch diese verbringe ich hauptsächlich draußen, denn immer wieder werden Wale gesichtet. Unterwegs gibt es einen Grund zu feiern: die Ortelius überquert den Polarkreis – inklusive Warnwesten-Polarkreis-Linie, heißer Schokolade und Musik.
Schließlich erreichen wir Jan Mayen, Traumziel vieler Reisender und nur per Schiff erreichbar. Die winzige Insel mitten im Nordatlantik gehört zum norwegischen Hoheitsgebiet und hier wird eine kleine Militärstation mit 18 Mitarbeitern betrieben. Die Begrüßung durch den Stationschef ist herzlich, denn die Ortelius ist das erste Schiff in der Saison, das die Insel erreicht – und bringt nach dem langen Winter die ersten frischen Lebensmittel wie Obst und Gemüse. Landschaftlich ist Jan Mayen ein Island en miniature, aber mit viel weniger Touristen. Während der Wanderung bin ich immer wieder erstaunt über die herrlich-raue Umgebung, auch wenn sich der 2277 m hohe Beerenberg, ein aktiver Vulkan, heute leider in den Wolken versteckt. Und ich muss schmunzeln über die Kreativität beim Aufstellen von Verkehrsschildern – angefangen von Fußgänger-Überwegen mitten im Nirgendwo, über einen Kreisverkehr auf einer einspurigen Sandpiste bis hin zur Haltestelle für den Flughafenbus, der wohl niemals kommen wird.
Auf der anderen Seite der Insel erkunde ich Vogelfelsen voller Krabbentaucher, gigantische Walknochen und die Kvalrossbukta, deren Name auf die Menge an Walrossen hindeutet, die hier – vor der Zeit des Wal- und Walrossfanges – einmal heimisch waren.
Nun beginnt der letzte Abschnitt der Reise, der mich ins Packeis und nach Spitzbergen führen wird.
Endlich Eis! Von dem Moment an, als die ersten Eisschollen gesichtet werden, bin ich fast nur noch draußen an Deck oder auf der Brücke. Denn Eis bedeutet – Bären! Und tatsächlich stoßen wir bereits nach zwei Stunden im Packeis auf eine kleine Eisbären-Familie: Eine Mutter mit zwei Jungtieren. Ein Moment, den ich für immer im Herzen tragen werde!
Am Ende der Reise begrüßt mich Spitzbergen noch einmal mit strahlendem Sonnenschein – und das 24 Stunden am Tag! Eine Wanderung bei Poolepynten endet mit einem Besuch der hier oft ruhenden Walrosskolonie. Die Tiere sind recht entspannt und einige kommen im Wasser ganz nah an die Gruppe heran. Bei einer Zodiactour in der Ymerbukta hoffe ich noch einmal auf Eisbären-Sichtungen, habe aber weniger Glück. Dafür bestaune ich die gewaltige Abbruchkante des Esmark-Gletschers und beobachte Prachteiderenten – ein heimlicher Traum von mir.
Und dann geht die Reise viel zu schnell zu Ende. Von Longyearbyen aus fliegen viele Passagiere nach Hause, einige bleiben an Bord, um mit der Ortelius noch weiter ins Packeis Nordspitzbergens vorzustoßen. Ich gönne mir noch eine Auszeit in Longyearbyen, wo mich eine Huskytour auf den Foxfonna-Gletscher führt und eine Kajaktour auf dem Adventfjord unter der Mitternachtssonne meine Reise langsam ausklingen lässt.