Abstieg vom Descabezado Grande
Aufstieg zum Descabezado Grande
Panoramablick auf dem Condor Circuit
Araukarienwald vor dem Vulkan Llaima

Reisebericht

Chile – Das Königreich des Kondors

Jutta Deters, 29.05.2015

Vor 14 Jahren unternahmen wir eine Reise von Punta Arenas ganz im Süden Chiles bis nach Santiago, immer im Wechsel von Chile nach Argentinien und zurück. Trotz des wechselhaften Wetters gerade ganz im Süden wünschte ich mir eine erneute Reise in das Gebiet. Da wir damals durch das komplette Abfahren der Reiseroute einen ersten Eindruck von dieser Gegend bekamen, sollten sich diesmal die reinen Fahrstrecken auf das Notwendigste beschränken. Durch Zufall fiel mein Blick im Internet bei DIAMIR auf die Reise „Unterwegs im Königreich des Kondors“. In der ersten Woche stand ein Trekking in einer total einsamen Gegend mit Besteigung des Descabezado Grande mit 3935 m auf dem Programm. Danach sollte es in das chilenische Seengebiet mit zwei Wandertagen und einem Rafting in der Nähe des Vulkans Osorno gehen. Per Inlandsflug nach Punta Arenas endete die Tour mit einem 4-tägigen Trekking im Torres-del-Paine-Nationalpark. Preis und Reiseziel passten, so dass wir die Pioniertour im Februar/März 2015 buchten.

Neu an der Reise war das Konzept, keinen durchgehenden Reiseleiter für die Gruppe zu stellen, sondern in den Gebieten der jeweiligen Schwerpunkte unterschiedliche, deutschsprachige Guides zu haben. Das Prinzip, dass wir während unserer Aufenthalte betreut wurden und während der Transporte „nur“ als Gruppe unterwegs waren, ging gut auf. Für eventuelle Probleme gab es auch noch ein „Notfallhandy“. Die jeweiligen Reiseleiter am Descabezado Grande, im Seengebiet und im Torres del Paine NP kannten sich in ihrem Gebiet bestens aus und waren mit viel Enthusiasmus bei der Sache. Durch ihre Gebietskenntnisse versuchten sie, uns so viel wie irgendwie möglich von ihrer Heimat näher zu bringen. Die Strecken von Santiago nach Talca, von Talca nach Curacautin, von Curacautin nach Puerto Varas, von Punta Arenas in den Torres del Paine NP und zurück wurden mit dem öffentlichen Bus zurückgelegt. Dieses ist problemlos möglich. Das Straßennetz in Chile ist gut ausgebaut und wir kamen meist pünktlich am Ziel an. Allerdings fährt man über Autobahnen und sieht von der Landschaft daher verhältnismäßig wenig. Fotostopps gibt es logischerweise überhaupt nicht. Die Strecke von Puerto Varas (bzw. richtiger von Puerto Montt) nach Punta Arenas legten wir per Inlandsflug zurück.

Das Trekking am Descabezado Grande war ein tolles Erlebnis. Unser Reiseleiter Frank bietet als einziger vor Ort diese Tour an. Grundsätzlich könnte man die Strecke auch noch um einige Tage verlängern. Da man in einer sehr einsamen Gegend unterwegs ist, muss die komplette Ausrüstung (Zelt, Schlafsack, Isomatte, Wechselwäsche, Kochausrüstung, Verpflegung) mitgenommen werden. Es gibt unterwegs keine Hütten. Auch die Campgrounds sind bis auf wenige Ausnahmen sehr einfach. So gibt es häufig keine Toiletten (der nächste große Stein ist meistens nicht weit entfernt). Zum Waschen geht man an den nahe gelegenen Bach. Ein Tisch mit Bänken ist die Ausnahme. Die Ausrüstung wird zum Glück von Pferden, die von einem Cowboy begleitet werden, transportiert, so dass man selber nur seinen Tagesrucksack tragen muss. Unter diesen Bedingungen ist klar, dass die Verpflegung einfach gehalten ist. Trotzdem gab es mehr als ausreichend Frühstück, ein Picknick als Mittagessen und ein Abendessen. Und wir hatten die Möglichkeit, ein paar persönliche Getränke (Rotwein) im Gruppengepäck unterzubringen. Frank verleiht im übrigen Schlafsack, Isomatte, Steigeisen, Gamaschen und Stöcke. Die Wahrscheinlichkeit, dass man Steigeisen benötigt, ist relativ groß. Die Vulkanasche und Restschnee im Gipfelbereich können die ganze Wandersaison über gefroren sein, so dass man ohne Steigeisen kurz vor dem Gipfel nicht weiterkommt. Wir waren relativ spät im Sommer unterwegs und konnten so gerade auf die Steigeisen, die wir aber im Rucksack hatten, verzichten. Da man bis auf die Stöcke diese Ausrüstungsgegenstände nur hier benötigt, ist zu überlegen, auf das Angebot einzugehen und so auf relativ viel Gepäck beim Flug zu verzichten. Laut Ausschreibung im Katalog ist die Umrundung des Vulkans ein anspruchsvolles Trekking. Dem kann ich nur zustimmen. Gerade der Gipfeltag mit 2000 Höhenmetern rauf und runter und der nachfolgende Tag mit ca. 21 km und 750 Höhenmetern rauf und 1000 m runter in feinster Vulkanasche sind sehr anstrengend. Belohnt wird das Ganze durch eine fantastische Landschaft. Mit dem Wetter hatten wir Glück. Obwohl der Wetterbericht überraschenderweise eine Regenwahrscheinlichkeit von 50% gemeldet hatte, fiel kein Regen. Am zweiten Tag war es allerdings extrem windig. Durch die feine Vulkanasche wurde die Sicht in einigen Phasen sehr eingetrübt. Wir trafen einige Wanderer, die an diesem Tag die Besteigung des Descabezado Grande geplant hatten und aufgrund dieser Wetterlage abbrechen mussten. Bei unserer Besteigung am nächsten Tag hatten wir Glück und es war windstill und sonnig. Alle Teilnehmer unserer kleinen Gruppe (6 Personen) erreichten den Gipfel in der vorgesehenen Zeit. Für mich war der dann folgende Tag der landschaftlich schönste der Tour. Die Vulkanlandschaft mit extrem viel Asche war besonders beeindruckend. Bis auf den letzten Tag waren wir fast die ganze Zeit mehr oder weniger alleine unterwegs. Der letzte Campground war relativ einfach erreichbar und für dieses Gebiet gut ausgestattet. Viele Chilenen nutzten das letzte Ferienwochenende für einen abschließenden Ausflug, so dass dieser komplett voll war. Aber es war schön zu sehen, wie viele junge Chilenen in der Natur unterwegs sind.

Nächstes Highlight war das Gebiet um den Lonquimay Vulkan. Sergio, Mitbesitzer der Lodge, versuchte uns so viel von der Gegend zu zeigen wie irgendwie ging und erweiterte das geplante Programm um einiges. Die Gegend und die Wanderungen unterschieden sich z.T. sehr von der ersten Woche. Im Nationalpark Conguillio unternahmen wir am ersten Tag mehrere Kurzwanderungen. Die vielen Araukarien- und Südbuchenwälder waren für unsere Augen inzwischen ganz ungewohnt aber sehr schön anzusehen. Am zweiten Tag ging es in das Gebiet des Lonquimay Vulkans. Die Tageswanderung startete zunächst wieder in Vulkanasche, endete aber im Wald. Während unseres Aufenthaltes brach in der ersten Nacht der Vulkan Villarrica aus. Da die Entfernung von unserer Unterkunft zum Vulkan relativ nah war (ca. 150 – 200 km Luftlinie), schlug Sergio vor, am Abend in diese Richtung zu fahren um evtl. einen weiteren Ausbruch zu beobachten. Die Gruppe entschloss sich sehr schnell dafür, doch leider spielte der Villarrica nicht mit. Nach dem ersten spektakulären Ausbruch hat er sich anscheinend wieder beruhigt.

Nächste Zwischenstation war Puerto Varas. Hauptgrund für den Aufenthalt war sicherlich der Inlandsflug von Puerto Montt nach Punta Arenas. Damit aber nicht zu viele Transporttage in Folge auf dem Programm stehen, gab es dort ein Rafting am Fuße des Vulkans Osorno. Laut Reiseführer und Internet soll das Rafting anspruchsvoll sein. Wir alle hatten uns diesbezüglich so unsere Gedanken gemacht. Da aber der Wasserstand aufgrund des in diesem Jahr recht trockenen Sommers in Chile nicht so hoch war, hielten sich die Schwierigkeiten in Grenzen. Mir hat das Ganze daher viel Spaß gemacht. Die ganze Aktion wurde sehr professionell durchgeführt. Ein Fotograf begleitete uns mit einem Kajak. Diese z.T. sehr spektakulären Fotos konnte man am Ende der Tour für einen vernünftigen Preis erwerben. Bei schönem Wetter und tollen Ausblicken auf den Vulkan Osorno konnte man erkennen, dass wir in einer sehr schönen Gegend unterwegs waren. Hier noch weitere Wanderungen zu unternehmen, hätte sicherlich auch noch Spaß gemacht.

Der letzte Höhepunkt der Reise sollte das viertägige Hüttentrekking im Torres-del-Paine-Nationalpark werden. Vor 14 Jahren stellten wir schon fest, dass es dort wettertechnisch sehr schwierig werden kann. Vier Jahreszeiten an einem Tag sind nicht nur durchaus möglich, sondern wahrscheinlich. Leider regnete es bei uns an den ersten drei Tagen. Morgens und abends zeigte sich das Wetter so gut, dass man die Schönheit der Landschaft erkennen konnte. Während der Wanderungen regnete und stürmte (teilweise mit Böen von 90 Stundenkilometern) es aber fast durchgängig. So reduzierten wir unser Programm auf die notwendigen Hüttenwechsel, weitere Ausflüge strichen wir. Am letzten Tag beim Ausflug zum Lago Grey und bei der Fahrt mit dem Katamaran über den Lake Pehoe gab das Wetter aber noch mal alles und wir hatten fantastische Ausblicke auf die Berge und Gletscher, so dass wir wussten, warum wir dieses Gebiet nochmals sehen wollten. Die Ruhe, die wir in der ersten Trekkingwoche erlebt hatten, war hier allerdings nicht zu finden. Der Nationalpark ist inzwischen sehr gut besucht. Die Hütten waren trotz extrem hoher Preise komplett ausgebucht. Auch die Campingplätze schienen voll zu sein. Wobei ich aufgrund der erlebten Wetterkapriolen Camping auch nicht empfehlen kann. Im schlimmsten Fall packt man morgens ein klatschnasses Zelt ein, läuft den ganzen Tag durch Regen und baut abends ein klatschnasses Zelt, das auch nicht mehr trocken wird, wieder auf. Und dann kann es passieren, dass das Zelt inklusive Zeltbesitzer wegfliegt (soll im dritten Camp vorgekommen sein). In den Hütten musste das Abendessen und Frühstück dann z.T. auch im Zweischichtbetrieb eingenommen werden. In dieser Zeit konnte man sich eigentlich nur im Mehrbettzimmer aufhalten, da sich die Terrassen aufgrund des Wetters nicht anboten. Die Hüttenübernachtungen waren so gebucht, dass wir keinen Schlafsack benötigten. Jeder musste nur Wechselwäsche für die 4 Tage und das Lunchpaket mit Wasser tragen.

In Punta Arenas blieb uns noch ein halber Tag Zeit. Wir nutzten die Gelegenheit, Pinguine zu beobachten. Früher war der Seno Otway Sound ein beliebter Punkt. Laut Aussage unserer Reiseleiterin sind dort allerdings aufgrund von Minen die Pinguine nicht mehr oder nur noch in geringer Anzahl anwesend. Sie empfahl uns den Ausflug zur Isla Magdalena und stand uns auch bei der Buchung helfend zur Seite. Dort sollen sich zwischen 150.000 und 400.000 Pinguine aufhalten. Wir haben sie nicht gezählt, doch es waren schier unendlich viele. Der Ausflug hat sich auf jeden Fall gelohnt. Für den Weg vom Hostal zur Anlegestelle des Bootes benötigt man aber zu Fuß ca. 90 Minuten und nicht wie von den Hostalangestellten angegeben 40 Minuten. So endete unsere Trekkingreise noch mit einer sehr schnellen Kurzwanderung zum Bootsanleger.

Untergebracht waren wir außerhalb der Trekkings in Hostals und nicht in großen Hotels, was mir ebenso lieb ist. Die Lage in Santiago, Puerto Varas, Puerto Natales und Punta Arenas war jeweils zentral, so dass man zu Fuß in die Stadt gehen konnte. In Talca (Casa Chueca) und in Curacautin (Suizandina) lagen die Hostals allerdings etwas außerhalb. Beide waren sehr familiär geführt und schön eingerichtet. Das Casa Chueca hat nur ein vegetarisches Restaurant. Man kann allerdings auch rechtzeitig (vor dem Trekking) ein Asado bestellen. Dafür hat uns Sergio im Suizandina mit einem fantastischen Asado verwöhnt. Das Essen war bei den beiden mehrtägigen Trekkings inkludiert. Am Descabezado Grande waren die Mahlzeiten aufgrund der Transport- und nicht vorhandenen Kühlmöglichkeiten einfach, aber völlig ausreichend und sättigend. Im Torres del Paine NP fühlte man sich ein wenig in Kantinen versetzt. An den anderen Abenden konnte man in den jeweiligen Orten essen gehen. Das hatte den Vorteil, dass man essen konnte, was einem gerade gefiel. Unsere Gruppe verstand sich gut und so gingen wir fast immer gemeinsam aus.

Wir haben eine tolle Reise erlebt, auch wenn das Wetter im Torres-del-Paine-Nationalpark nicht so gut war. Ich kann die Reise nur weiterempfehlen.

Magellan-Pinguinkolonie auf der Isla Magdalena
Blick in den Krater des Descabezado Grande
Grey-Gletscher im Nationalpark Torres del Paine
Blick auf den Descabezado Grande
Trekking auf dem Condor Circuit
Massiv des Torres del Paine
Laguna Manantial Pelado auf dem Condor Circuit
Gipfelkreuz auf dem Descabezado Grande