Eisfahrt: Der Dreimaster „Rembrandt van Rijn“ ist schwimmendes Basislager in arktischen Gewässern.
Mit Ski vom Meer direkt zum Gipfel: Hier im inneren Fjord nahe der grönländischen Hauptstadt Nuuk.
Spritzige Schlauchbootfahrt
Abfahrtsvergnügen auf einem namenlosen Gletscher in Westgrönland.

Reisebericht

Grönland – Ski & Sail – Skitouren vom Schiff in Westgrönland

Folkert Lenz, 17.10.2013

Expeditionskreuzfahrt 01.04.-08.04.2013

Menschenleeres Land. Segelschiff-Romantik. Spektakuläre Fjord-Szenerien. Gipfelglück und Pulverschneeabfahrten. Das sind die Zutaten für ein Arktis-Abenteuer der ganz besonderen Art: „Ship und Ski“ in Westgrönland.

Der Winterschnee war schon verschwunden. Trotzdem hat ein Tief-druckgebiet die Küste Westgrönlands noch mal dick eingepudert. Steil ragen die felsigen Flanken des Ewigkeitsfjords aus dem Wasser. Hier und da kalbt ein mächtiger Gletscherstrom in den Meeresarm, manch-mal dümpelt ein Eisberg vorüber. Nur das leise Glucksen der Wellen am Bug des Dreimasters stört die Stille, während die „Rembrandt van Rijn“ langsam landeinwärts fährt. Suchend steht der Bergführer Christoph Gnieser mit dem Fernglas an der Reling. Wo bloß soll hier eine Skitour starten?
Der Segeltörn im hohen Norden hat Expeditionscharakter, gewiss. An jedem Tag muss neu gecheckt werden, was die polare Umgebung an Möglichkeiten bietet. Der Start zu den Touren ist ungewöhnlich – und laut! Der Außenbordmotor dröhnt, während das schwere Zodiac-Raft mit seinen Passagieren durch die Wellen pflügt. Schwimmwesten sind auf der Reise gen Küste angesagt statt Rückenprotektoren. Und Gummi-stiefel anstelle von Freeride-Boots. Denn die letzten Meter vom Schlauchboot an Land geht es häufig durchs Salzwasser. Ein paar Hüp-fer noch über glitschige Felsen, dann sind die Skitourengeher auf siche-rem Boden.
Zwei Führer von Oceanwide Expeditions patrouillieren schon seit einer ganzen Weile mit Gewehren am Strand. Die beiden Wachen halten die Augen offen, ob sich nicht doch ein Eisbär in die Gegend verirrt hat. „Si-cher ist sicher“, sagt der Innsbrucker Bergführer Christoph Höbenreich schmunzelnd, während er beim Abmarsch die Waffe in ein Etui verpackt und schultert.
Der so genannte „Skislope“-Gletscher ist heute das Ziel. Ein irreführen-der Name, denn von einem Lift ist hier natürlich weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen blockiert brusthohes Gestrüpp den Weiterweg vom Strand. Wildnis-Feeling kommt auf, als sich der kleine Trupp durch die Büsche kämpft. Später dann felsiges Moränengelände. Schneekissen liegen auf den Steinen: Endlich Winterwelt wie gewünscht!
Wie ein Pionier fühlt sich bisweilen, wer in dieser abgelegenen Region unterwegs ist. Und nicht jeder Tag endet so, wie die motiviertesten Skitouristen sich das vorgestellt haben. Mancher Abfahrtshöhenmeter in Grönland will durch kilometerlange Flachstrecken erkämpft sein. Man-cher Freeride-Hang liegt erst am Ende eines riesigen Gletscherbeckens. Der Lohn der Mühe: Erlebnisse für die Seele, wie man sie wohl nur in den Polargebieten finden kann. Eisflächen, gegen die der Schweizer Konkordiagletscher eine Miniatur ist. Schneewolken, die sich im Meer-wasser spiegeln. Einsamkeit, wie es sie sonst nur in der Wüste gibt. Doch vor allem ist es die Stille, die auffällt. Mal das heisere Krächzen eines Rabens, dann das leise Pfeifen des Windes, vielleicht noch das Klappern der Skibindung. Ansonsten nur weißes Rauschen in den Ohren.
Und ja: Auch Gipfelglück bietet der Westen Grönlands. Das Ambiente der Fjorde ist alpin. Und so flach mancher Bergrücken vom Schiff aus erscheint, so findet sich eigentlich immer angemessenes Skigelände, in dem die Bretter ordentlich ins Laufen kommen. Ob am Sadlen im Inne-ren Fjord nahe der Hauptstadt Nuuk. Oder am Taateraat-Gletscher mit-ten im Ewigkeitsfjord. Oder an einer der Felsspitzen von Sermersuut auf Hamborgerland. Glitzernde Sonnenstrahlen auf stahlblauem Wasser, während die buntgetupfte Schar der Skifahrer im blendenden Weiß eine Line neben die andere legt…
Heute allerdings wartet keine wilde Freeride-Abfahrt. An der Zunge vom „Skislope“-Gletscher endet der Aufstieg abrupt. Blaues Blankeis lugt aus dem Neuschnee heraus, Spalten liegen quer über der Route. Christoph Höbenreich trägt es mit Fassung: „Allein, dass wir die Zeit in dieser Wildnis verbringen duften, ist doch schon ganz etwas Besonderes“, meint der Arktisexperte. Und das Glitzern in seinen Augen verrät, dass der Polarvirus ihn schon lange infiziert hat.
Für dieses Mal ist es gut, in besinnlichem Gleiten geht es wieder hinab zum Meer. Die „Rembrandt van Rijn“ nimmt Kurs auf die Gruppe, als sie ihre letzten Schwünge in den Schnee zeichnet. Der Tag endet, wie er begann: Mit einer spritzigen Schlauchbootfahrt.

Folkert Lenz


Text und Fotos: Folkert Lenz

Anlandung mit dem Zodiac
Eisfahrt: Der Dreimaster „Rembrandt van Rijn“ ist schwimmendes Basislager in arktischen Gewässern.
Mit Ski den Berg erklimmen