Reisebericht

Wüstenritt durch ein unbekanntes Land – Teil 2 Turkmenbashi und Canyons

Frank Böttcher, 04.06.2018

Freitag 18.05.2018 – Ankunft in Turkmenbashi – Markttreiben und Canyon-Wanderung

Wir rattern über Nacht mit dem Zug durch endlose Wüste mit salzigen Becken. Die Sonne brennt schon morgens heiß durch die Zugfenster. Kurz vor unserem Ziel kommt das Kaspische Meer in Sicht. Gegen neun Uhr erreichen wir die Hafenstadt Turkmenbashi, das frühere Krasnovodsk. Im Schritttempo passiert der Zug den nagelneuen Hafen, der erst vor drei Tagen vom Präsidenten eingeweiht worden ist. Das schöne Bahnhofsgebäude im verschnörkelten traditionellen Stil darf ich nach Erlaubnis vom Wachoffizier fotografieren, den Zug leider nicht. Es erwarten uns bereits unsere Geländefahrzeuge, mit denen wir die nächsten Tage unterwegs sein werden. Aber zuerst gibt es in einem netten Kaffee Frühstück. Neben dem Omelett schmecken besonders die Quarkkeulchen sehr lecker. Gestärkt besuchen wir den Basar. Das Marktgeschehen und die Waren sind nicht außergewöhnlich. Doch muss ich an dieser Stelle stattdessen die immer wieder auffallende Anmut und Schönheit der jungen Frauen ansprechen. Die knöchellangen aber körperbetonten Kleider leuchten in goldgelb, rot, blau oder grün und sind meistens aus Samt und reich verziert. Mit reichlich Stolz wandeln sie zielstrebig über den Markt und sind eine Augenweide.

Wir starten gegen Mittag mit drei Fahrzeugen in die Wüste. Zuerst geht es über eine breite glatte Bergstraße hinauf in die Weite. Die Spuren vom letzten Unwetter vor zwei Tagen sind noch sichtbar, denn eine Hälfte der Straße ist zentimeterdick mit getrocknetem Schlamm bedeckt. Schon bald endet die Straße und es geht auf deutlich schlechterer Piste weiter. Die ersten frei umherlaufenden Kamele und Pferde tauchen auf und räumen nur ungern die Straße. In einem Teehaus mitten im Nichts machen wir Mittag und essen an einem typisch turkmenischen Sitztisch unsere Lunchpakete. Nach der Weiterfahrt taucht schon bald der erste Canyon vor uns auf. Steile mehrfarbige ausgewaschene Hänge stürzen ins Tal hinab. Mit der Vorhersage eines noch größeren Canyons fahren wir noch gut eine Stunde über staubige Pisten. Plötzlich tut sich die flache Wüste vor uns auf und gigantische weiße Bergrücken ergießen sich ins Tal. Wir wandern jetzt von ganz oben zu Fuß ins Tal hinab und können so die Ausblicke ganz in Ruhe genießen. Wir sind im Yangisuw-Canyon. Unten wartet schon die Crew. Auf einem weitläufigen Gelände bauen wir unsere Zelte auf. Es ist hier wunderschön, da man von allen Seiten von den herrlich ausgewaschenen weißen oder roten Felsen umgeben ist. Wir lassen uns unser Bier schmecken, spielen ein Ratespiel und gehen zufrieden früh schlafen.

Sonnabend 19.05.2018 – Gözli Ata

Die Nacht im Zelt ist angenehm, es wird nicht zu kalt. Ein paar Schäfchenwolken sind vor der Sonne, sodass es noch nicht zu heiß ist für den Zeltabbau. Nach dem Frühstück wandern wir durch den Canyon bergauf, wo uns die Fahrzeuge aufsammeln. Es geht über staubige Pisten zum nächsten Canyon, dem Yangikala. Die Aussichten sind atemberaubend und lassen sich aufgrund der Dimension kaum auf Fotos bannen. Wir wandern von einem Felsvorsprung zum nächsten; auf beiden Seiten fallen die weißen Bergrücken aus jahrmillionenaltem Korallengestein gut zweihundert Meter in die Tiefe und bilden wundersame Muster. Weiter unten folgen rote, braune und grünliche Schichten. Früher stand der Meeresspiegel bis ganz oben. Man schaut quasi hinunter auf den ehemaligen Meeresgrund und fühlt sich wie vor einem riesigen abgelassen Swimmingpool. Man kann sich kaum satt sehen an der Schönheit dieser Landschaft. Gegen Mittag fahren wir weiter, zumindest versuchen wir es. Denn ein heftiger Regen gestern hat die Tiefebene, durch die wir fahren müssen, komplett unter Wasser gestellt. Wir versuchen einen Weg außen herum, kommen aber nach einer halben Stunde auch nicht weiter. Also fahren wir zurück zur Hauptstraße, die diesen Namen auch nur trägt, weil sie auf der Karte eingezeichnet ist. Um Zeit aufzuholen, brettern wir über die Schlaglochpiste, meist mit zwei Rädern auf dem Randstreifen. Wir erreichen schließlich die Pilgerstätte Gözli Ata mitten im Nichts in der Wüste. Nächtigen werden wir in einem mit Teppichen ausgelegten Schlafsaal. Wasser gibt es hier nur aus staubigen Krügen, aber besser als keines. Die Toiletten sind Holzbretter über einem Erdloch. Wir essen wie hier üblich auf dem Boden und machen anschließend Siesta, denn draußen ist es super heiß. Erst am frühen Abend kann man sich wieder hinaus trauen. Wir besichtigen das Mausoleum von Gözli Ata und seiner Frau. Hierher kommen insbesondere junge Frauen mit Kinderwunsch, die dann hierfür kleine Wiegen oder auch Haarklammern ablegen. Ringsherum ist der gemischte Friedhof von Türkmenen und Kasachen. Besonders schön sind die Gräber der Kasachen, die bei jedem Besuch ein buntes Tuch am Grab hinterlassen und daher manche Gräber mit dicken Tuchbündeln geschmückt sind. Da gleich die Sonne untergeht, wandern wir auf einen nahe gelegenen Hügel, um das Schauspiel anzusehen. Wunderschön orange versinkt die Sonne hinter den Bergen. Vor dem Schlafengehen testen wir das Waschen mit Wasser aus dem Krug, was auch bei uns Ungeübten ganz passabel funktioniert.

Sonntag 20.05.2018 – Balkanabad – Paraw Bibi Schrein – Serdar

Nach einer ruhigen Nacht und einer Krug-Waschaktion am Morgen düsen wir durch die Wüste in Richtung Stadt. Auf oder neben der Straße entdecken wir Schildkröten und einen Waran. Es geht durch kleine Dörfer, an deren Eingang jeweils ein großes neues weißes Gebäude steht. Es sind Kindergärten, schick wie ein Palast und mit mehreren Spielplätzen im Garten. Der Präsident hat angeordnet, dass in jedem Ort ein neuer Kindergarten und eine neue Schule gebaut werden. Eine tolle Aktion, wenn auch in den meisten Fällen etwas überdimensioniert. Wir erreichen bald Balkanabad. Ab einer riesigen Betonfabrik am Stadtrand wird auch die Straße wieder besser. Ein großes Kamel-Denkmal ist unser erstes Ziel, aber das städtische Leben ringsherum ist viel spannender. Den örtlichen Basar dürfen wir nur in der Gruppe und ohne Kamera besuchen und müssen aus Vorsichtsgründen auch die Fotowünsche der Einheimischen ablehnen. Einige nette Blickwechsel und Grüße mit Hello, Salam und Sdrawstwuitje kann mir aber keiner verwehren. Wir werden zügig wieder an den Stadtrand gefahren, wo uns ein schickes Restaurant begrüßt. Wir entscheiden uns für den Stör aus dem Kaspischen Meer, der aufgrund (oder glücklicherweise) wegen der geringen Fangquoten als Delikatesse gilt. Dazu ein frischer Rote-Beete-Salat und eine kühle Pepsi – genau richtig nach zwei Tagen Wüste und Wasser. Weiter geht es in Richtung Osten aus der Stadt raus. Endlich wieder Autobahn, aber mit vielen Polizeikontrollen. Wir werden auch fast jedes Mal rausgewunken. Zum Teil wollen die Beamten mit den Riesenschirmmützen nur Wasser haben, da es so heiß ist. Die Autobahn verläuft im ausgetrockneten Flussbett des Uzboy, der heute irgendwo vorher versickert, und als ein Zweig der echten Seidenstraße. Regelmäßig stehen Kamele in der Wüste herum, manchmal auch auf der Autobahn. In einigen flachen Regionen bläst der Wind so stark über den roten Sand, dass er ganze Wolken über die Straße trägt und die Sicht nimmt. Auf der freien Fläche bilden sich Sandwirbel und kleine Tornados. Da wo kein Sand ist, löst sich die kerzengerade Straße wie eine Fata Morgana am Horizont auf. Am Horizont sehen auch schon bald in einem Felsmassiv den Paraw Bibi Schrein, eine Pilgerstätte, zu der die Leute aus dem ganzen Land kommen, um für ihre Wünsche zu beten. Für uns am spannendsten ist nach dem schweißtreibenden Aufstieg der alte Mann, der mit einer Schaufel den Berg hinauf eilt und direkt neben dem Pilgerweg eine kleine Kobra in mehrere Teile hackt. Es gibt sie also doch und die Leute haben wirklich Panik davor. Nach der Besichtigung des heiligen Lochs im Felsen, wohin der Sage nach die verehrte Jungfrau vor ihren Feinden entschwand, entschwinden wir ganz schnell wieder talwärts, um das dringend benötigte Toilettenhäuschen aufzusuchen. Mit den Fahrzeugen geht es anschließend das letzte Stück in die Stadt Serdar. Hier erwartet uns laut Plan ein „Gästehaus“. Wir staunen nicht schlecht, als wir an einem Glaspalast vorfahren, durch eine riesige Lobby schreiten und jeder ein großes Einzelzimmer mit vier Meter hoher Decke bekommt. An den Wänden wacht der Präsident hoch zu Ross über die Hotelgäste. Eine ausgiebige Dusche lässt mich wieder zum Mensch werden. Während sich nach dem Abendessen die Mehrheit ins Bett begibt, testen wir noch zu viert die Diskobar hinterm Hotel. Natürlich sind wir die einzigen Gäste, amüsieren uns bei ein paar Gläschen Wodka aber ganz gut.

Jeeps vor den bunten Sandsteinformationen Yangisuw