Schmutzgeier
Das 75te Auto auf Sokotra
Endemische Drachenblutbäume
Endemische Drachenblutbäume

Reisebericht

Sokotra – Impressionen

Marc Vorsatz, 16.02.2023

Wie kommt man eigentlich auf eine große, seit Jahrhunderten bewohnte, aber recht entlegene Insel, die nicht einmal Google Flights findet? Obwohl es dort einen internationalen Flughafen gibt.

Vielleicht mit dem Schiff? Theoretisch möglich. Aber selbst für erfahrene Reiseprofis eine echte organisatorische Herausforderung und obendrein recht umständlich. Containerschiff ab Abu Dhabi wäre eine Option. Segelboot? Könnte recht langwierig werden, zumindest wenn man von somalischen Piraten vor dem Horn von Afrika gekapert wird. Also doch mit dem Flieger? Auf einer Verbindung, die es eigentlich gar nicht gibt?

Genau. Kann Ottonormalverbraucher aber nicht buchen. Diamir mit seinen Verbindungen zu den richtigen Kreisen vor Ort schon. Das System hat einen entscheidenden Vorteil: Das „Galapagos des Indischen Ozeans“ bleibt fast so isoliert, wie es Jahrtausende zuvor war. Wir gehören also zu den wenigen Privilegierten pro Jahr, die dieses Juwel im Arabischen Meer besuchen dürfen. Und sind ein bisschen stolz darauf. Und aufgeregt.

Höchste Sanddüne der Welt

Mit Superlativen sollte man immer vorsichtig sein, aber bei Sokotra bekommen selbst Weitgereiste feuchte Augen. Schon nach den ersten Kilometern im Geländewagen wähnen wir uns auf einem fremden Planeten. Sokotra sieht irgendwie anders aus. Anders, als alles zuvor Gesehene.

Okay, Guide Muhamed und unsere Fahrer empfangen uns mit offenen Armen, wie man so schön sagt. So etwas passiert auch anderswo. Das türkischblau schimmernde Meer zur Linken und die steil aufragenden Felsen zur Rechten könnte man vielleicht auch noch irgendwo anders verorten.

Aber was ist das denn? An den fast senkrechten, rötlich braunen Felswänden türmen sich Sanddünen auf. Schön sehen sie aus in ihren Farbtönen zwischen warmem Gelb und kaltem Weiß. Ein Farbenspiel, dirigiert vom Einfall des Lichts. Die ersten steil aufragenden Dünen sind vielleicht so groß wie ein vierstöckiges Haus. Dann hoch wie acht Stöcke, zwölf, 20, 50. Am Ende weit höher als der höchste Wolkenkratzer Deutschlands und noch ein gutes Stück höher als die Spitze des Berliner Fernsehturmes. Überwältigend! Am Fuße der vermutlich höchsten Sanddüne der Welt schlagen wir unsere Zelte auf. Mit rund 400 Metern überragt sie selbst Big Mama und Big Daddy im namibischen Sossusvlei.

Unter Geiern

Im ersten Licht des Tages machen sich vier Frühaufsteher unserer kleinen Gruppe auf den Weg. Ich bin einer von ihnen. Schon nach den ersten Metern beginnen wir zu begreifen, dass das mehr wird als geschmeidiger Frühsport. Per aspera ad astra. Ein rauer Weg führt zu den Sternen. Zwei Schritte vor und einer zurück, zwei vor… Nach 100 Metern wird es anstrengend, nach 200 Metern bin ich schweißgebadet und nach 300 Metern haben meine sympathische Schweizer Begleitung und ich genug. Kann die Spitze des Sandberges so einladend sein wie ein starker Kaffee und frisch gebackenes Fladenbrot in angenehmer Runde unten am Meer, wo grade Dutzende Delfine ihre Bahn ziehen und einst Tauchpionier Hans Hass die reiche Unterwasserwelt Sokotras erforschte? Nein. Jedenfalls nicht für uns.

Die Mahlzeiten auf solchen Reisen sind oft ein Problem, zumindest, wenn man viel Wert auf gutes Essen legt. Hier nicht. Unsere einheimischen Begleiter geben ihr Bestes und zaubern unter einfachsten Bedingungen täglich Leckeres und Gesundes auf den Tisch. Selbst bei unserer abenteuerlichen Trekkingtour, die uns über bizarre Hochebenen und durch brütend heiße Canyons, in eine riesige Höhle ohne Licht und vorbei an Scharen von Schmutzgeiern und den markanten Flaschenbäumen bis hoch hinauf zum Fermhin Plateau führt. Dort gedeiht der einzige Drachenblutbaumwald der Welt. Wir treffen Hirten auf unserem Weg, die unzählige Ziegen hüten und die nur karges Land sehen, während uns die Seele aufgeht. Ein Drittel der Pflanzen und Tiere gelten als endemisch, nur ein Bruchteil davon haben wir registriert. Wie auch in nur einer Woche vor Ort? Einige Juwelen aus der geheimnisvollen Schatztruhe namens Sokotra haben wir gesehen. Andere nicht. Ich werde sie wieder besuchen, die Insel am Ende der Zeit.

Düne, Nordküste
Hoq Höhle
Lagerfeuer am Drachenbaum
Pause im Canyon
Pool mit Aussicht
Unsichtbare Wege