Prächtige Tempelarchitektur
Über den Wolken auf taiwanesischen Bergpfaden
Auf einer Wanderung in der Nähe von Taipeh
Blick in den Hafen

Reisebericht

Das andere China – die „schöne Insel“ Taiwan (Ilha Formosa)

Mag. Andrea Zirknitzer, 17.02.2023

Taiwan hat die Pandemie vorbildhaft bewältigt, ohne seine Bevölkerung einzusperren oder zu schikanieren. Noch ist man vorsichtig mit der Öffnung, erst Mitte Oktober war eine Einreise möglich. Zum Glück hatten wir die Hoffnung nie aufgegeben, und so waren wir Mitte November eine der wenigen Touristengruppen im Land, freundlichst begrüßt von den Einheimischen. Bei angenehmen Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad ist auch die Maske noch erträglich, die man hier fast überall trägt. Nirgends wird kontrolliert, es obliegt alles der Eigenverantwortung. Und im Gegensatz zu Österreich klappt das hier.

Die Reise war als Wanderreise konzipiert, mit einigen Gipfeln über 3000 Metern. Auch den höchsten Gipfel des Landes, den Jadeberg (Mt. Yushan, 3952 m) wollten wir besteigen. Denn Taiwan ist eine gebirgige Insel mit 200 Dreitausendern. Von Nord bis Süd zieht sich eine Bergkette durch das Land, der Westen ist flach und dicht besiedelt, die Ostküste steil und felsig. Im Süden herrscht tropisches Klima. Am meisten regnet es im Norden, auch in der Hauptstadt Taipeh. Flächenmäßig ungefähr so groß wie Österreich, hat das Land 23 Millionen Einwohner, davon allein 3 Mio in der Hauptstadt und 8,5 Mio im Großraum Taipeh. Der Bevölkerungsdichte geschuldet baut man hier vorrangig in die Höhe. Wolkenkratzer dominieren nicht nur die Hauptstadt, sondern sind sogar in den „Ureinwohnerdörfern“ zu finden. Wir hatten aber nie das Gefühl von gesichtslosen Menschenmassen, auch weil die Leute so freundlich sind und wir uns wirklich als Gäste fühlen durften.

Ein 13-stündiger Direktflug von Wien bzw. Frankfurt brachte unsere 8-köpfige Truppe nach Taipeh. Gebucht hatten wir bei Diamir, einem ostdeutschen Aktivreise-Veranstalter, mit dem ich schon gute Erfahrungen gemacht hatte. Gleich in den ersten Tagen erkundeten wir nicht nur die Hauptstadt, sondern machten auch schweißtreibende Wanderungen in der Umgebung. Zuerst eine „Dschungeltour“ durch steile Bambuswälder und über nasse, mit Seilen gesicherte Felsen zu einem Ausblick, am 2. Tag in ein grünes Wäldermeer mit einzelnen rotbraunen Sandsteinfelsen, die sich wie spitze Zähne aus dem Urwald erhoben – die „taiwanesische sächsische Schweiz“ sozusagen. Da lernten wir gleich eine Besonderheit taiwanesischer Bergpfade kennen: künstliche Treppen statt schlammiger Wege! Auch in die Steilfelsen waren Treppen geschlagen und alles war mit Drahtgeländern gesichert. Sonst kämen dort auch nicht viele Leute hinauf, so steil ist es. Also eine Art Abenteuerpark zur Einstimmung. In Taipeh besichtigten wir natürlich die wichtigsten Tempel, vor allem den Longshan- oder Drachenbergtempel, den 228-Friedenspark und das Chiang-Kai-Shek-Memorial. Dies ist ein riesiger Bau mit Vorplatz und Park zu Ehren des ehemaligen Diktators, der vor Maos Truppen auf die Insel geflüchtet war und dort ein ziemliches Schreckensregime errichtete. Viele Tote gehen auf sein Konto, und diese Zeit wird in Taiwan kontroversiell betrachtet. Aber da die Taiwanesen so pragmatisch sind, nutzen sie Park und Gelände einfach zur Freizeitgestaltung und scheren sich nicht um den alten Schlächter. Nicht vorbei kommt man in Taipeh am „One-o-One“-Turm, dem „Taipeh 101“. Man sieht ihn von fast jedem Punkt der Stadt, er ist 508 m hoch und war lange das höchste Bauwerk der Welt. In den unteren Stockwerken beherbergt er ein luxuriöses Shopping-Center, dann bringt uns ein Aufzug in 36 Sekunden (!) ins 89. Stockwerk – ein Gefühl wie „Beam me up, Scotty!“. Dort hat man einen fantastischen Rundblick auf die Stadt. Felix Baumgartner ist da übrigens mal runtergesprungen. Abends darf dann ein Besuch auf einem der vielen Nachtmärkte nicht fehlen, für die Taiwan berühmt ist. Zu essen gibt es alles – vor allem Fleischspeisen, darunter viele Innereien am Spieß und den berüchtigten „stinkenden Tofu“, den wir natürlich probierten. Einmal reicht. Ständig präsent – und lästig – sind die vielen Motorroller, bevorzugtes Fortbewegungsmittel in den engen Gassen. Aber der Ärger verfliegt sofort, wenn einem der Fahrer freundlich zuwinkt.

Am 3. Tag geht es dann an die wilde Ostküste, mit vielen Besichtigungen und Spaziergängen unterwegs. Wir landen schließlich in der Hafenstadt Hualien, in die ich mich sofort verliebe. Breite Fußgängerzonen, Parks, das Meer und extrem freundliche Leute. Beim Morgensport wird man begrüßt, macht umstandslos bei einer Tai-Chi-Gruppe im Park mit und kommt mit den wenigen Anwohnern ins Gespräch, die Englisch können. Von hier aus besuchen wir zweimal die berühmte Taroko-Schlucht und wandern dort, wobei viele Wege nicht gangbar sind, weil vom letzten Taifun verwüstet. Dann geht es endlich zu den hohen Bergen. Als Akklimatisationstouren besteigen wir die verschiedenen Gipfel des Mt. Hehuan. Die Straße führt schon auf über 3000 Meter und die Bergspitzen sind ca 3400 m hoch. Natürlich gibt es wieder viele Treppen …. Unser nächstes Ziel ist der Sonne-Mond-See, ein touristischer Hotspot, größenmäßig der Wolfgangsee, halt mit ein paar Hochhäusern am Ufer. Das Gebiet gehört den Ureinwohnern und nur sie dürfen dort Land besitzen. Ein recht idyllisches Plätzchen, garniert mit einigen Tempeln und Pagoden. Und dann wird es ernst. Wir nähern uns dem Eingang zum Nationalpark Jadeberg. Hier ist ein Permit für die Besteigung erforderlich, das streng kontrolliert wird. Leider hat das Wetter umgeschlagen – bisher immer warm und sonnig, so regnet es jetzt leicht und die Berge sind in Wolken und Nebel. Kalt ist es nicht. Der Pfad zur Hütte ist 8,5 km lang und mit 800 Höhenmetern eher gemütlich. Wir wandern durch einen verwunschenen Nebelwald, was durchaus seinen Reiz hat. Die Baumgrenze liegt hier weit über 3000 m. Uns begegnen viele einheimische Wanderer, die meisten grüßen freundlich mit „ni hau“ oder „good morning“. 116 Schlafplätze (Lager)gibt es auf der einfachen Hütte auf 3400 m, sie wird nicht geheizt und um 19 Uhr ist Hüttenruhe! Das hat den Grund, dass es üblich ist, um 3 Uhr Früh zu starten, wegen des Sonnenaufgangs am Gipfel. Ist natürlich Bullshit, denn erstens ist das Wetter schlecht und zweitens braucht man für 550 Höhenmeter kaum 3 Stunden! Manche Einheimische offenbar schon. Wir starten individuell, ich breche mit meinem Kumpel Martin um viertel nach fünf auf, das reicht. Großteils gehen wir in der Dunkelheit mit Stirnlampe, aber wenigstens sind wir fast alleine, kein Stau an der mit Eisenketten gesicherten felsigen Gipfelpassage. In eineinviertel Stunden sind wir oben und müssen uns fürs Gipfelfoto anstellen. Alle von uns haben es geschafft, die Stimmung ist trotz Nebel und null Sicht gut. Am selben Tag steigen wir bis ins Tal ab und fahren weiter, nach Alishan.

Der Alishan National Forest ist ein Erholungsgebiet, das die japanischen Besatzer ausgebaut haben. Eine Gegend in mittlerer Höhe, mit uralten Wäldern, tausendjährigen Bäumen und Teeplantagen. Hier fährt man mit dem Zug wieder zu einem – nicht existenten – Sonnenaufgang. Die Wanderung zurück auf dem „Giant Trail“ mit seinen riesigen, uralten Bäumen im Nebel ist aber fast unwirklich schön. Der Tee muss dann natürlich auch noch verkostet und eingekauft werden, in Taiwan ist es immer Oolong, ein halbfermentierter Tee, zwischen grün und schwarz.

Zurück in Taipeh steht noch die Nordküste auf dem Programm – Besuch einer Teeplantage, Baden in heißen Quellen (sehr urig!) und der Geopark Yeliu mit pilzartigen Felsformationen, die uns trotz Nieselregen beeindrucken. Die letzten beiden Tage erkunden wir Taipeh individuell, verschiedene Tempel und Märkte, die berühmte „Snake-Street“, die alte „Dinhua-Road“, den Botanischen Garten und den Zoo. Bevor wir abends die Heimreise antreten, verabschieden wir uns noch von den Deutschen in unserer Gruppe und unserem liebenswerten Guide Han, der uns die Schönheiten seiner Heimat so nahegebracht und so hilfsbereit auf alle Wünsche reagiert hat. Man möchte unbedingt wiederkommen in dieses schöne Land, zu diesen wunderbaren Menschen, und noch mehr erfahren über Kultur, Geschichte und Natur.

Mag. Andrea Zirknitzer

Prächtige Tempelarchitektur
Über den Wolken auf taiwanesischen Bergpfaden
Auf einer Wanderung in der Nähe von Taipeh
Blick in den Hafen