Japan-Impressionen
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Reisebericht

Kalter Wind und warmes Herz – Impressionen der Fotoreise Japan 2023

Dr. Ferry Böhme, 25.08.2023

Von Adlern und Eis

Es ist ein finsterer, kalter Morgen im Februar als wir – 7 DIAMIR-Fotoreisende samt Reiseleiter Michael Lohmann und mit unserer Führerin Hitomi – im Hafen von Rausu an der Nordostküste Hokkaidos unser Boot besteigen. Lediglich ein paar Fischerboote sind bereits vor uns im lackschwarz schimmernden Wasser unterwegs. Nach einiger Zeit beginnt der dunkelblaue Himmel heller zu werden, erste Eisschollen ziehen am Boot vorbei und ein weißer Streifen wird am Horizont sichtbar. Wir nähern uns der Packeisgrenze vor Kunashiri und der Grenze zu Russland. Das Naturschauspiel, daß sich uns in den nächsten Stunden hier am kältesten Flecken Japans bieten wird, ist in Worten schwerlich zu beschreiben – kurzgesagt: WAHNSINN.

Auf dem Mosaik aus abertausenden Eisplatten, die unser kleines Boot umgeben, sammeln sich unzählige Riesenseeadler und Seeadler bereits im ersten, malerischen Licht des Sonnenaufganges. Über 120 Adler zählen wir nach 2 Stunden – von Luftkämpfen, majestätischen Überflügen, Streitereien, Fischtauchen und nahezu perfekten Portraitposings wird uns durch die Tiere alles geboten, was man sich als Naturfotograf nur wünschen kann. Wir „zahlen“ mittels einiger Kisten Fische und brechen erst in Richtung Hafen auf, als das Licht zu hart für weitere, brauchbare Aufnahmen wird. … und bevor ich es vergesse, auch der zweite Tag draußen bei den Adlern ist – bei anderem Licht und Wetter, nicht weniger spannend und reizvoll.

Lediglich unsere uns umsorgende Hitomi bekommt wohl etwas Stress, da einige von uns wegen der Motivfülle und Begeisterung für das Naturschauspiel sich keine Zeit zum Frühstücken an Bord nehmen – und Hitomi hat Angst, wir könnten verhungern.

Vom Schwelgen, Schwefel und Schwänen

Vieles wird möglich auf dieser Tour – nur eben nicht einheimische Zeitungen lesen und Verhungern. Letzteres schon deswegen nicht, weil die gebotene Vielfalt der japanischen Küche auch ein ausgesprochen leckerer Bestandteil unserer Reise ist. Zum Kennenlernen der manchmal ungewöhnlichen aber faszinierenden Kulinaria Japans bleibt in den z.T. sehr traditionellen Unterkünften immer ausreichend Zeit – hungrig nach anstrengenden Fototagen am Abend noch das i-Tüpfelchen jeder Etappe und eine schöne Kultur-horizonterweiterung gleichermaßen.

Vorbei an den vulkanisch aktiven Gebieten im Akan National Park, die mit Schwefeldämpfen, Fumarolen und farbenfrohen Mineralien den vollen Einsatz vom Weitwinkel bis zum Tele fordern, werden wir nun ein paar Tage bei den Singschwänen am Lake Kussharo verbringen. Ich würde es mal so formulieren: der daheim klischeehaft röhrende Rothirsch vor der Alpenkulisse in Bayern tut sich schon sehr schwer zu Punkten, wenn sich das winterliche, japanische Bergpanorama mit den Singschwänen im dampfenden Wasser direkt vor einem ausbreitet – während man selber liegt; nämlich im heißen Wasser des Onsens am Seeufer in der Mittagspause, krafttankend für die nächsten bäuchlings zu absolvierenden Kameraperspektiveinstellungen auf dem Eis zwischen lauter Schwanenfüßen.

Zwischen Sikas und Eiswind

Apropos Hirsch – so ganz außer Acht lassen mag ich die Hirsche in Japan nun auch nicht, zumal auf Hokkaido ja die seltenste Unterart des asiatischen Sikawildes heimisch ist. Die möchten wir schon auch gerne sehen und noch lieber fotografieren. Während auf der Fahrt über die Nemuro – Halbinsel ein eiskalter Eiswind direkt von der Küste ins Landesinnere pfeift, macht sich die Tierwelt rar und sucht Deckung vor den Unbilden der Natur. Unsere Gruppe sucht windstillen Unterschlupf in einem Mittagsimbiss – doch nur wenige hundert Meter bevor wir diesen erreichen, entdecken wir im Vorbeifahren Sikawild.

Mir fällt die Entscheidung nicht schwer, den Appetit auf das Abendbrot zu verlagern und so verbringe ich die Zeit statt mit Muschel-Burger lieber mit Pirschen. Während ich mich langsam mit zusammengekniffenen Augen und tief ins Gesicht gezogener Wollmütze den Tieren nähere, entdecke ich beim Passieren einiger verlassener Fischerhütten noch mehrere kapitale Hirsche, die sich – völlig ohne Scheu vor dem vorbeistreifenden Fotografen – in die windgeschützten Ecken der Blechhäuschen drücken. Selbst mein Wunschmotiv – ein kleines Rudel Sika im Schutze des Straßendammes auf einer schier endlosen, beschneiten Salzmarschfläche, lässt sich geduldig auf den Speicherchip bannen, nachdem ich mich fast auf Augenhöhe bis über die Hüften in den tiefen Schnee eingewühlt habe.

Eine Stunde später stehe ich dann – einem Schneemann mit Eisbart ähnlich – wieder am Bus, außen gut angefroren, innen ist mir ganz heiß vor Freude und Begeisterung über das Erlebnis. … und Hitomi bringt mir einen warmen Burger mit aus dem Restaurant, damit ich nicht verhungere!

Bei tanzenden Kranichen und badenden Affen

Schon auf den alten Holzschnitten des Meisters Hokusai besticht ein Tier mit besonderer Eleganz – der Mandschurenkranich. Für mich gehören die Tiere zu Japan wie der Fuji oder guter Sake. Wir hatten auf unserer Tour mehrmals und an ganz unterschiedlichen Stellen in den verschiedensten Lichtsituationen und aus vielfältigen Perspektiven die Möglichkeit, diesen majestätischen Vögeln näher zu kommen – immer begleitet vom trompetenden Gesang dieser „rotbemützten“ Tänzer.

Die Tänze der Mandschurenkraniche einmal aus der Nähe beobachten zu können, stand freilich auf der inneren Wunschliste vieler Teilnehmer, daß ein Teil von uns aber auch noch mehrere Paarungen und eine Kranich–Fuchs–Begegnung genießen konnten, führte zu sprachloser Begeisterung, atemlosen Staunen … und vielen vollen Speicherkarten. Selbst im gleißenden Licht der Mittagssonne bei „Kamera aus“ haben sich die Bilder der grazilen, befiederten Ballerinas auf weißer Bühne unlöschbar auf der internen Herz-Festplatte eingebrannt – samt großer Dankbarkeit all jenen Japanern gegenüber, die durch jahrzehntelangen, enthusiastischen Einsatz das Aussterben dieser wunderschönen Tiere abwenden konnten.

Am Ende unserer Reise erwartete uns dann noch ein Portraitworkshop der besonderen Art – Rotgesichtsmakaken im Jigokudani-Nationalpark. Klar kennt jeder die Bilder der badenden Affen im Schnee, tausende Male gelikt in den sogenannten sozialen Medien, totfotografiert mit Handy und Selfiestick. Was gibt es da noch Neues zu entdecken? Könnte man ja meinen, oder?

Nun gut, Schnee hatten wir im Gegensatz zur ersten Reisegruppe des Jahres leider keinen mehr – warmes Tauwetter sorgte für blanken Fels und wenig Badelust bei den Affen. Doch gerade diese eher untypische Situation in Verbindung mit fantastischem Gegen- und Streiflicht sowie der Entschluss, sich einfach mal den ganzen Tag mit den Gesichtern und Gefühlsregungen der Makakengroßfamilie auseinanderzusetzen, sorgte für intensive Fotomomente. Hunderte teils gehetzter Besuchergruppen kamen und gingen, während für uns die Interaktionen der Affen untereinander ein immer klareres Bild vom komplexen Sozialgefüge der Tiere offenbarten.

Vielleicht ging es den Makaken mit unserem Fototeam ja ebenso, denn 4 DIAMIR-Fotografen verharrten bis zu dem Moment am Badepool, als die Affen sich auf den Rückweg in den Bergwald machten – und wir uns zurück in ein heißes Bad im Hotel-Onsen. Getauschte Rollen, quasi!

… und was bleibt als Fazit? Zusätzlich zu den beschriebenen Begegnungen genossen wir intensive Momente mit einem seltenen Serau, mit Schwarzmilanen, Alpenbraunellen, Orpheusbülbüls, Kolkraben und Habichtskauz sowie einer wunderbaren Winterlandschaft in Kombination mit herzlicher Betreuung, einem stets gutgelaunten Reiseleiter, kultureller Horizonterweiterung – fehlte eigentlich wirklich nur der Fischuhu. Aber vielleicht hatte der gerade einen anderen Termin an dem Abend. Wir werden sehen. … und zwar im nächsten Jahr, auf Hokkaido!

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