Reisebericht

Meine persönliche Vorbereitung auf einen 7000er – Mein Erster sollte der Pik Lenin sein

Paul Hoffmann, 22.11.2022

Nur 2 von 10 Besteiger*innen erreichen den Gipfel des Pik Lenin (bei uns 0 von 8). Das zu wissen, gehört auch zur Vorbereitung. Da möchte man nicht, dass es an mangelndem Training liegt. Also hatte ich Vorsätze, fand neben vielen Besteigungsberichten im Netz aber wenig Anleitung hierzu. Jede*r hat ein anderes Alter, Fitness, Erfahrung, Möglichkeiten und Zeit im Alltag. Denn „mindestens 6 Monate Training“ sind nicht übertrieben. Also hier das, was ich für mich daraus gemacht habe – und was mir eine tolle, erlebnisreiche Expedition ermöglicht hat, von der ich noch lange zehren werde. Auch ohne Gipfelerfolg.

Im Jahr vor der Tour rief ich den April zum „Sportmonat“ aus und testete, wieviel Schweiß neben Arbeit, Familie und Ehrenämtern zeitlich drin ist. Aus dem bisher gelegentlichen Laufen, Klettern, Radfahren wurde ein kleines Trainingspensum, was sich noch steigern ließ. 8 Monate vor dem Abflug machte ich dann Ernst: Jede Woche einmal Langstrecke joggen im mittleren Herzfrequenzbereich, mindestens 12km, zum Schluss wöchentlich Halbmarathon. Dazu Intervalltraining im Park vor meiner Haustür im teils anaeroben Bereich: Einlaufen 3 Runden à 300m, dann immer 3 Runden schnell und 1 langsam, von diesen Blöcken bis zu 6. Mit dem Rad zur Arbeit geht in meiner Stadt gut, dazu kam oft nach Feierabend noch ein Stündchen im Sattel; Supermärkte bewusst am anderen Ende der Stadt bringen auch Kilometer… So kamen anfangs 100km/Woche zusammen, zuletzt 150km. Mit einem ganz normalen Nabenschaltungsrad, denn es ging ja um Training, nicht um Tempo. Dass ich jemals ein Fitness-Studio betreten würde, hätte ich nie gedacht, und war dort positiv überrascht. Die Trainerin musste verstehen, dass ich nicht „pumpen“ möchte, sondern Ausdauer brauche. Mein Trainingsplan wurde sehr individuell, Klimmzüge schaffe ich weiterhin nur im Singular. Mein Favorit: Der nicht enden wollende „Treppenautomat“ im Studio. Ach ja, klettern wie immer 1-3x wöchentlich, 1000m Schwimmen ab und zu. Und sonst? Der Diamir-Berater hielt es für ein Manko, dass ich bisher nur in den Alpen, also nie über 4810m (Mont Blanc) gewesen war. Aber: Durch die pandemiebedingt geschlossenen Winterräume kam die Idee auf, dreimal mit Freunden auf 2000m im Schnee zu zelten – das sei ein bisschen wie Lagerleben, meinte er hinterher. Stimmte auch. Und ob ich Höhe vertrage, sollten die Sportwissenschaftler unserer Uni klären. Simulierte 6000m per Atemmaske habe ich ausgehalten, und beim Belastungstraining (Spiroergometrie) die Zielmarke von 3,5-4W pro Kilo Körpergewicht übertroffen, mit Ende vierzig vermutlich nicht schlecht. Was definitiv geholfen hat, waren natürlich ein Gletscherkurs vor ein paar Jahren und meine bisher 6 Hochtouren mit 4000ern, und Schneeschuhtouren. Ausgesetztes wurde u.a. durch den Jubiläumsgrat und die Watzmann-Überschreitung trainiert, da brauchte ich Gewöhnung. Dazu noch zügige „Gewaltwanderungen“, wie ich es nenne, um das Durchhaltevermögen auf die Probe zu stellen: eine winterliche Harzdurchquerung in 29 Stunden, 70km und 1800 Höhenmeter mit Biwaknacht auf Blankeis; aber auch von zu Hause aus, oft an der Elbe entlang, einmal 45km, einmal 65km mit Kuchenstopp bei einer Kollegin; flotte Harzwanderungen mit einem anderen Kollegen bis 51km. In Berlin ist ein 7000er-Aspirant wöchentlich ein 25-stöckiges Hochhaus zehnmal mit Gepäck rauf und runtergerannt; ich habe gelegentlich die Treppen eines Ex-Müllbergs benutzt, weil Magdeburg genauso flach ist. Last but not least zur Vor-Akklimatisation die „Spaghetti-Runde“, eine reizvolle Hochtourenwoche von Zermatt aus incl. Übernachtung auf 4554m Höhe kurz vor dem Abflug. Das Beste an alledem: Zwar war die Schinderei für die Tour gedacht, es wurde aber immer mehr Selbstzweck und ich hätte nichts bereut, selbst wenn die Expedition abgesagt worden wäre. Allein die ausgeschütteten Endorphine waren es wert… Wie es dann am Pik Lenin war? Ist eine andere Geschichte, der mitgereiste FAZ-Journalist Alex berichtet.