Yurtenlager mit Blick auf den Pik Lenin
Bergpanorama
Kirgisen mit traditionellen Hüten
mit dem Mountainbike durch das Pamir-Gebirge

Reisebericht

Mit dem Mountainbike durch das Pamir-Gebirge

Friedrich Gothsche, 25.09.2018

In diesem Jahr möchte ich mir einen langersehnten Reisetraum erfüllen: Durch das Pamir-Gebirge in Tadschikistan auf den Spuren der Seidenstraße. In einem Diamir-Katalog entdecke ich eine 16-tägige Mountainbike-Reise von Rushan an der afghanischen Grenze im Südwesten Tadschikistans, durch das einsame Bartang-Tal bis an die chinesische Grenze im Osten und dann nach Kirgistan zum Basislager des Pik Lenin. Obwohl ich ja individuelles Reisen bevorzuge, sollte diese MTB-Tour durch den Pamir meine Erwartungen erfüllen, denn zu zweit ist eine derartige Radl-Reise auf dieser Route wegen des notwendigen, schweren Gepäcks wohl nicht durchführbar – also kurz entschlossen gebucht. Am frühen Morgen des 31.07. lese ich geschockt vom IS-Terror-Anschlag auf eine Mountainbike-Gruppe mit 4 Toten südlich von Duschanbe. Soll ich die Reise stornieren? Ist das Risiko zu groß, denn genau in dieser Gegend beginnt unsere Tour? Von den 12 Teilnehmern tritt nur einer zurück. Ich halte das Risiko auf der Stecke im einsamen, abgelegenen Bartang-Tal für eher gering und bleibe dabei.

Am Sonntag, den 26. August fliege ich mit Turkish Airlines über Istanbul nach Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans. Nach der Visa- und
Passkontrolle zum Gepäckband: Mein Fahrrad ist da, aber nicht meine Reisetasche, auch nach längerem Warten nichts! So geht es auch noch drei weiteren aus unserer Gruppe. Stefan, unser Guide auf dieser Tour, beruhigt uns und wir fahren erst einmal zum Hotel Atlas B&B – Schlaf nachholen, es ist 04:00 morgens. Nach einem späten Frühstück am Mittag als Erstes zum Turkish Airlines Büro: Das Gepäck der drei Anderen kommt 3 Tage später und Stefan organisiert, daß ein Fahrzeug es zum ersten Übernachtungsplatz im Bartang-Tal bringt – aber mein Gepäck bleibt verschwunden – nicht auffindbar! Mit den 150 USD Entschädigung kaufe ich Sandalen, kurze Hose, Unterwäsche und Handtuch – Zahnpasta, Seife und Zahnbürste gibt’s von Hotel, gepolsterte Radl-Hose leiht mir Klaus, und Stefan organisiert T-Shirts und Schlafsack – das sollte erst einmal reichen und so starte ich als Minimalist mit Plastiktüte die Tour. Nach Besuch des Bazars, der Rudaki- und Ismail-Samani-Statuen, dem Komsomol- See sowie einem Bier in der lokalen Brauerei gehen wir zum Abendessen: Plötzlich stehen zwei Vodka-Flaschen auf unserem Tisch. Ein älterer Tischnachbar steht auf und bittet uns um Entschuldigung für das schreckliche Terror-Attentat mit den vier toten Mountainbikern. Wir sind betroffen von dieser einfühlsamen Geste und sitzen dann noch gemeinsam mit ihm und seiner Familie zusammen.

Dienstag, 28. August, es geht los: Die Toyota Landcruiser werden mit Gepäck, Fahrrädern sowie Zeltausrüstung beladen und wir fahren über Vadhat Richtung Süden nach Ak Mazar an der afghanischen Grenze, unterwegs der große Speichersee mit dem Nurek Damm und dann bei Dangara ein kurzer Halt und Gedenken am Mahnmal für die vier durch den IS getöteten Mountainbiker. Später am Pyanj-Fluss geht es im engen Tal auf schmaler ungepflasterter Serpentinenpiste entlang der afghanischen Grenze nach Osten bis zu unserem Homestay B&B in Kala-i-Khum. Ich schlafe unterm Sternenhimmel auf dem Tabshan mit Blick auf die gegenüberliegenden afghanischen Berge – eine stille, friedliche Welt um mich herum.

Am nächsten Tag dann die zweite Autoetappe bis nach Rushan, dem Ausgangspunkt für unsere Mountainbike-Tour. Die Piste ist Teil des Pamir-Highways mit vielen LKW’s, es ist eng, staubig und oft geht es rechts steil bergab, wo der Pyanj mit gewaltigen Wassermassen wild durch das Tal fließt. Wir begegnen einigen Radlern mit schwerem Gepäck sowie einer tschechisch/polnischen Mountainbike-Gruppe beim Mittagsstopp in Baravin-Tar, wo wir landestypisches Laghman essen (Suppe mit Nudeln, Gemüse und Fleisch). Rushan erreichen wir gegen 16:00 – ein ländliches Homestay mit sehr netter Familie und vielen Tieren (Hund, Katzen, Schafe, Rinder) erwartet uns: Auspacken und montieren der Fahrräder, eine kurze Probefahrt ins Dorf, wo uns die Kinder mit freundlichem „Hello“ begrüßen.

Donnerstag, 30. August, Aufbruch zu unserer MTB Pamir-Tour in 8 Etappen. Unsere Gastfamilie verwöhnt uns zusätzlich zu dem leckeren Frühstück mit einer großen „Welcome to Tadschikistan“-Torte, extra für uns gebacken! Wir radeln nur kurz auf dem geteerten Pamir-Highway und biegen dann links ins Bartang-Tal ab, in der Ferne sehen wir schon gegen den tiefblauen Himmel die teilweise schneebedeckten bis zu 5000m hohen Berge des Pamir. Am Bartang-Fluss grüne Oasen mit Gärten und Landwirtschaft, ab und zu kleine Dörfer, die Piste schlängelt sich durch das weite Tal. Unsere Begleitfahrzeuge mit Gepäck, Zelten, Verpflegung usw. sind schon vorausgefahren und die tadschikischen Fahrer haben auf einer schattigen Wiese an einem klaren, kühlen Bach das Mittagessen für uns vorbereitet: Tomaten, Gurke, Käse, Wurst, Brot und Tee. Auf der Weiterfahrt kurz vor Siponj halten wir, der Lehrer der Dorfschule zeigt uns stolz die deutsche Voith-Turbine eines kleinen Wasserkraftwerkes sowie alte Petroglyphen (prähistorische Felsmalereien) und beschenkt uns zum Abschied noch mit Früchten aus seinem Garten. Bei Razuj erreichen wir schließlich nach 65km und 570Hm unseren ersten Zeltplatz. Als wir mit dem Abendessen fertig sind, gesellen sich noch der örtliche Schuldirektor sowie der Dorfbaumeister zum Vodka zu uns. Ich schlafe mit den Eindrücken und Erlebnissen des ersten Radl-Tages in meinem Zelt ein.

Am Morgen nach dem Frühstück Zeltabbau und verstauen des Gepäcks in den Begleitfahrzeugen. Bevor wir zur zweiten Etappe aufbrechen, noch ein Dorfrundgang: Der Direktor führt uns durch seine Schule und der Dorfbaumeister zeigt uns voller Stolz einen Hausneubau. In den kleinen Dörfern des Bartang-Tals mit durchschnittlich 100 bis 200 Einwohnern gibt es überall eine Schule und eine Medizinstation, aber die Lebensverhältnisse sind einfach und geprägt durch die Abgeschiedenheit und die extremen klimatischen Bedingungen, was u.a. zur Landflucht der jungen Generation führt – ein großes Problem, das auch der bis auf wenige Radler begrenzte Tourismus längerfristig nicht aufhalten wird.

Das Tal wird enger (tang) mit tiefen Schluchten, die Berge heben sich in vielen Farbtönen rot-braun gegen den tiefblauen Himmel ab. Wir sind jetzt schon auf über 2‘500m, die Sonne brennt, bei Temperaturen um 30°. Die Piste wird zunehmend ruppiger, steinig, schottrig und ist teilweise mit weichem Fluss-Sediment bedeckt, immer wieder müssen Flüsse durchquert werden, aber alles ist soweit mit etwas Technik fahrbar. Bei Bandara kommen wir zu unserem nächsten Zeltplatz, wegen der Flussnähe leider mit Mückenplage. Wir haben heute weitere 70km mit 750Hm und einen ersten, steileren Pass geschafft.

Stefan verwöhnt uns zum Frühstück mit frisch gebackenen Omeletts, Haferbrei, Aprikosenmarmelade, Kaffee und Tee. Außerdem gibt es jeden Morgen zur Tagesverpflegung auf der Tour Nüsse, Trockenfrüchte und Riegel. Unsere Route zieht sich eng am Berg entlang und nach einer Kurve die erste große Herausforderung: Die Piste ist weggespült, ein tiefer, wilder Fluss muss durchquert werden. Wir behalten im hüfttiefen Wasser Schuhe und Strümpfe an, der Untergrund ist felsig und wir müssen gegen die starke Strömung ankämpfen, unsere Fahrräder werden fast weggerissen, es ist besser, sie über Wasser zu tragen. Selbst für unsere Toyota Landcruiser ist die Flussdurchquerung nicht einfach.

Auf der anderen Seite des Flusses angelangt, beginnt eine lange, kräftezehrende Passauffahrt mit 600Hm auf trailmässiger Piste. Der Blick auf die Pamir-Berge vor uns ist einmalig und wir genießen anschließend die lange Abfahrt über einen weiten Bergrücken in das Dorf Savnob, wo wir diesmal in einem traditionellen Pamir-Haus übernachten (Fahrstrecke 40km/700Hm).

Das Dorf liegt oberhalb einer tiefen Schlucht, wir sind umgeben von schneebedeckten Bergen. Avaz, unser netter tadschikischer Guide, ist hier zu Hause und führt uns durch den Ort. Es ist grade die Zeit der Getreideund Obst-Ernte, es wird per Hand gedroschen und auf den Dächern liegen die Aprikosen zum Trocknen. Ich schließe Freundschaft mit der kleinen Tochter unseres Gastgebers und ihrer Freundin – sie sind beide trotz Sprachbarriere stolz, links und rechts an meiner Hand durch das Dorf zu gehen. Und noch eine Überraschung: Mein Gepäck wurde gefunden! Avaz organisiert telefonisch den Transport mit Shared Taxis
über Khorog, Murgab nach Karakul, wo ich es dann hoffentlich 5 Tage vor dem Rückflug erhalte. Die Nacht schlafe ich wieder im Freien auf dem Tabshan unter dem klaren, unendlich weiten tadschikischen Sternenhimmel – keine Geräusche, absolute Stille – die Welt kann so schön und friedlich sein.

Heute, am Sonntag, erwartet uns eine anstrengende Etappe mit über 1‘000Hm – wir erreichen nach ca. 55km bereits eine Höhe von 3‘200m. Die letzten kleinen Dörfer des Bartang-Tals bleiben hinter uns, wir begegnen nur noch einigen wenigen Hirten mit ihren Kuh- und Schafherden und tauchen ein in die Einsamkeit des Hochtals, es ist der Beginn des Berg-Badachschan-Nationalparks. Die Piste wird zunehmend schlechter mit losem Geröll, Sanddünen und immer wieder müssen wir Flüsse durchqueren. Auf einer weiten Wiese des Tanimass-Flusses schlagen wir die Zelte auf – die umliegenden mit Schnee und Gletschern bedeckten Berge überragen hier schon 6‘000m. Wir sammeln Treibholz für ein nächtliches Lagerfeuer, einer unserer Fahrer (Baron) hat Geburtstag, und wir feiern ihn mit tadschikischer Musik, Tanz und Vodka, bis das Feuer um Mittenacht erlischt. Die Nacht ist auf dieser Höhe kalt und ich verkrauche mich schnell in den warmen Schlafsack.

Am heutigen Tag steht uns eine weitere Passauffahrt bis auf 3‘900m bevor, wir queren hinüber ins Kokuybel-Tal im Ost-Pamir. Die steile Auffahrt auf extrem schlechter Piste erzwingt auch für uns routinierte Mountainbiker eine etwas längere Schiebestrecke. Auf der Passhöhe werden wir mit traumhaften Blicken auf die schnee- und eisbedeckten Berge entschädigt. In einer einfachen Alm ist schon das Mittagessen für uns vorbereitet. Für die Betreuung der 800 Schafe und Ziegen bekommt der Almbauer ca. 400€/Monat. Ich freunde mich mit den kuschligen, anhänglichen Hirtenhunden an, die nachts die Herde vor den in dieser Gegend zahlreichen Wölfen schützen. Wir bleiben in etwa auf der Höhe von 4‘000m, die heutige Strecke mit 70km auf diesem Niveau ist anstrengend, die letzten Kilometer zum Zelt-Camp am Flussufer erfordern von mir etwas Leidensfähigkeit und ich erreiche es dieses Mal als Schlusslicht. So schlafe ich vor dem Abendessen erst einmal erschöpft im Zelt ein. Von Stefan bekomme ich später zum Glück eine Daunenjacke, denn es wird abends auf dieser Höhe wieder schnell extrem kalt, wir messen nachts -8°!

Eine etwas leichtere Etappe steht uns heute am Dienstag (04.09.) bevor: Mit 56km und nur 400Hm durch das weite Kokuybel-Tal bis zum Karakol-See auf 4‘100m. Trotzdem ist die Fahrt im ersten Teil recht anstrengend wegen der Waschbrett-Piste, zum Glück werden die Schläge durch die Federung (Fully sei Dank) etwas gedämpft. Nach einer weiteren Flussdurchquerung erreichen wir wieder den Pamir-Highway – hier soll es Mountainbiker gegeben haben, die vor Freude den Asphalt küssen. Wir sind jetzt unmittelbaram Grenzzaun zu China im Ost-Pamir angelangt. Die letzten 20km rollen wir mit Rückenwind auf dem Highway zu unserem Homestay in Karakol, immer mit Blick auf den grossen, vielfarbigen türkis/blau/schwarzen Karakol-See, umrahmt vom Panorama der bis zu 7‘000m hohen Gletscherberge. Bei der Einfahrt in den Innenhof sehe ich schon mein verlorenes Gepäck – die Freude ist groß – endlich wieder die eigenen Sachen! Bei einem Rundgang durch das recht armselige Dorf kann ich nun einen Teil meiner Gastgeschenke verteilen und damit einigen Kindern eine Freude bereiten. Vor dem Abendessen ist Entspannung in der Banya angesagt: Ein mit getrocknetem Dung befeuerter Ofen erhitzt einen kleinen Raum und man begießt sich mit warmem Wasser aus einem Bottich. Nach dem köstlichen traditionellen Pamir-Abendessen schlafe ich glücklich in meinem eigenen Schlafsack ein und bin froh, dass ich die Höhe und die Anstrengung der Tour bisher ohne Mühe und Probleme verkrafte, denn andere aus unserer Gruppe hat es teilweise mit Magenproblemen und Kopfschmerzen erwischt.

Laut Stefan wird es heute die „Königsetappe“: 100km Fahrtstrecke/800Hm, 2 Pässe auf je 4‘300m, Grenzüberquerung nach Kirgistan und schließlich lange Abfahrt auf schwerer Schotterpiste hinab auf 3‘100m, dazu Kälte und Wind. Wir stehen bereits um 05:30 auf, stärken uns mit Haferbrei, Spiegelei, heißem Tee und Marmeladenbrot. Es ist noch extrem kalt, als wir um 07:00 starten, der Fluss neben der Straße ist teilweise gefroren, die Sonne wärmt nicht und wird zunehmend durch Wolken bedeckt. Die erste Auffahrt zum Uy Buloq Pass hat nur eine mäßige, langgezogene Steigung auf Asphalt, die Anstrengung hält sich in Grenzen. Dieser Teil des Pamir-Highways ist kaum befahren, keine LKW’s, nur einige Landcruiser (shared taxis), voll beladen, und – erstaunlich – relativ viel Individual-Radfahrtouristen mit gepäckbeladenen Tourenrädern – das fordert einiges ab!

Am Ende der folgenden langen Hochebene essen wir im Windschatten einer brüchigen Mauer (Eingang zum Nationalpark) unser Mittagessen, die warme Tüten-Suppe tut gut. Der eiskalte Wind und dunkle Wolken veranlassen uns jedoch zum baldigen Aufbruch Richtung Grenze und auf den 4‘336m hohen Kizil Art Pass. Die Höhe macht sich jetzt doch etwas bemerkbar und der Anstieg lässt mich kräftig schnaufen. Dann kurz vor der Passhöhe der tadschikische Grenzkontrollposten: Umständliches Eintragen aller Pass- und Visadaten in Bücher und Listen, die wahrscheinlich nie jemand liest. Das Gepäck wird von unseren tadschikischen Fahrzeugen in einen kirgisischen Kleinbus umgeladen, etwas wehmütiger Abschied von Avaz und unseren netten tadschikischen Fahrern, dann öffnet sich für uns der Schlagbaum für die letzten Meter auf den Pass. Es ist saukalt, windig und wolkenverhangen – ich verweile nicht wie der Rest der Gruppe auf der Passhöhe sondern starte in die 45km lange Abfahrt mit 1‘100m Höhendifferenz auf sehr schottriger Serpentinen-Piste hinab zum kirgisischen Grenzposten bei Bordobo, dort wird es wieder angenehm wärmer und sonniger. Der kirgisische Beamte erklärt mir beim Blick in meinen Pass, sein größter Wunsch ist es, mal nach Deutschland zu reisen. Mit Rückenwind und auf Asphalt (allerdings mit sehr vielen Schlaglöchern) die restlichen 25km zu unserem Homestay in Sary-Tash. Wir entspannen auf der Wiese vor dem Haus mit Blick auf ein weites Panorama von Gletscherbergen von der chinesischen bis zur usbekischen Grenze und auf unser morgiges, letztes Etappenziel, das Base Camp des 7‘134m hohen Pik Lenin, der sich leider in Wolken versteckt.

Donnerstag, letzter Bike-Tag: Trotz des Kohle-Bergbaus in Sary Mogol ist zum Glück nicht viel LKW-Verkehr auf der 30km Straßen-Strecke – links und rechts große Viehherden (Kühe, Pferde, Schafe) auf der Steppen- Hochebene (3‘100m) des Kyzyl-Suu-Flusses. Dank Rückenwind kommen wir schnell voran. Wir haben Glück: Immer donnerstags findet in Sary Mogol der Bazar statt: Viehmarkt, Obst&Gemüse der ansässigen Bauern, Haushaltswaren – wir parken unsere Radl an einem Guesthouse und mischen uns unter die einheimische Bevölkerung – tolle Fotomotive, besonders die Mädels aus der Schule mit ihren großen weißen Schleifen im Haar, die Männer mit ihren typisch kirgisischen Nomadenhüten und die Frauen in ihren farbenprächtigen Kleidern. Der Tisch beim Mittagessen im Guesthouse ist wieder reichlich gedeckt mit frischem Obst, Brot, Tomaten/Gurken, dazu Suppe und anschließend Reis, Gemüse, Fleisch.

Weiter geht es über die Brücke des Kyzyl-Suu über Sand-/Schotter-Piste bis an den Fuß des Pik Lenin. Der Anstieg zum Base Camp auf 3‘600m ist ohne große Anstrengung zurückzulegen und als unser Yurten-Camp in Sicht kommt, ist Stefan neben mir und sagt: Ich bin glücklich, dass ich zusammen mit Dir die letzten Meter zu unserem Ziel zurücklegen kann (ein Kompliment an mein Alter). Er hat schon vorgesorgt: Bei unserer Ankunft im Camp ein Tisch mit Bier und russischem Champus – wir stoßen an und freuen uns über die tollen Erlebnisse auf der zurückgelegten Tour (600km mit knapp 6‘000Hm). Dann beziehen wir für 2 Nächte unsere gemütlichen Yurten und feiern beim Abendessen (Reis mit Yak-Fleisch) die erfolgreiche Ankunft nach der letzten Etappe. Die Nacht wird extrem kalt, aber zum Glück wurden die Öfen in den Yurten angeheizt.

Die Sonne weckt mich früh und etwas schlaftrunken ducke ich mich durch die niedrige Yurtentür, was für ein Blick: Der mächtige, gletscherbedeckte Pik Lenin im gleissenden Morgenlicht direkt vor mir – gewaltig und eindrucksvoll! Nach gutem Frühstück mit Haferbrei und Spiegelei verpacken wir erst unsere Radl für den Rückflug und unternehmen dann eine Wanderung in Richtung Pik Lenin – ich meditiere auf einer Wiese in der warmen Sonne, genieße den überwältigenden Blick auf die 7‘000m hohen Gletscherberge und entspanne von den acht erlebnisreichen Bike-Etappen. Den Nachmittag nutze ich im Camp, um meine Reiselektüre „Armageddon im Orient“ von Michael Lüders zu Ende zu lesen – wo driftet die Welt hin unter Politikern wie Trump, unberechenbar und gefährlich? Hier, in der einmalig schönen Bergwelt des Pamir ist die Politik so weit weg, eine scheinbare Oase des Friedens, doch die Realität ist anders und zurück in Deutschland wird sie uns dann wieder in den täglichen Nachrichten verfolgen.

Samstag, 08. September, Rückreisetag nach Bischkek, der Hauptstadt Kirigistans. Mit einem Kleinbus geht es wieder zurück über Sary-Mogol und Sary-Tash, um dann nach dem Taldyk Pass mit 3‘615m über viele Serpentinen 2‘700m hinab nach Osch zu fahren, eine schier endlose steile Abfahrt. Hier sind tatsächlich
bergauf relativ viele gepäckbeladene Radl-Touristen unterwegs, das erfordert Kraft, Leidensfähigkeit und Ausdauer! Mittagspause in Osch in einem mit Weinreben überdachten Innenhof eines schönen Guesthouses mit einmalig gutem kirgisischen Essen sowie frischen Früchten. Wir nutzen noch die Gelegenheit zum Duschen vor der anschließenden kurzen Stadtbesichtigung und einem Rundgang durch den großen Bazar. Ich kaufe als Souvenir Mandeln, Datteln und getrocknete Aprikosen. Stefan führt uns durch den etwas angestaubten sowjetistanischen Vergnügungspark und wir wagen uns auf eine Runde in dem sehr maroden Riesenrad – allerdings bringen nicht alle aus unserer Gruppe den Mut auf, dafür allerdings exklusiv für uns von oben ein schöner Rundblick auf die Stadt. Es ist noch Zeit für ein abschließendes, sehr fleischlastiges Abendessen mit kirgisischem Bier, bevor wir uns auf den Weg zum Flugplatz machen. Die Manas-Air Boeing 737 bringt uns in 50min. nach Bischkek, wo uns schon der Transport zum Hotel „Asia Mountains“ erwartet. Die Fahrt durch die abendliche Stadt weckt Erinnerungen an meine letzte Kirgistan-Reise vor 3 Jahren: Es hat sich einiges verändert, die Stadt ist lebendiger geworden, neue Gebäude, Cafés, Restaurants, Geschäfte….Jetzt heißt es Abschied nehmen von Stefan und untereinander, denn wir haben verschiedene Rückflüge am nächsten Morgen. Turkish Airlines überrascht mich mit einem Business Class Upgrade beim 5 1/2 Stunden Rückflug nach Instanbul, dann geht es weiter nach München, wo mich Konny um 17:30 am Flugplatz in Empfang nimmt – schade, dass sie nicht mit dabei war, die Pamir-Region ist von so einmalig landschaftlicher Schönheit und geprägt von der faszinierenden Seidenstrassen-Atmosphäre. Meine Gedanken spielen schon mit der Idee, im nächsten Jahr zusammen mit ihr den Pamir noch einmal zu bereisen. Wir lassen den Abend bei Mario in Schwabing mit gutem italienischem Essen und einer Flasche Campania Aglianico ausklingen.

Diese Welt schau Dir an mit dem Auge der Weisheit,
Nicht mit dem Auge, mit dem Du sonst schaust.
Sie ist wie das Meer, und aus Wohltaten baust
Du Dir ein Schiff, damit Du die Weite durchschaust.
Radaki (Tadschikischer Dichter)

Radetappe entlang des Bartang-Flusses
einheimische Mädchen
Zeltcamp auf einer weiten Wiese des Tanimass-Flusses
Panorama der 7000m Gletscherberge
der Bartang-Fluss